Rundumbetonierung und lückenlose Vollversiegelung des Staatsgebietes gehören als Staatsziel in der Verfassung festgeschrieben.

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Ich war noch niemals in New York (wenigstens heuer nicht), ich war noch niemals auf Hawaii: Seit die Nanosau wütet und den Entfernungsradius zu allen potenziellen Urlaubszielen enger und enger gezogen hat, schauen nicht nur meine Ferien anders aus als geplant. Statt weiter Ferne gemütliche Nähe, Penzing statt Paris, Lambach statt London, Wulkaprodersdorf statt Wladiwostok.

Die Hauptlektion, die man bei innerösterreichischen Überlandfahrten flugs lernt: Wenn es eine Devise gibt, nach der Österreich funktioniert, dann ist es die Devise "Tu felix Austria, versiegle". Laut Auskunft der Bundeshymne sind unsere heimischen Töchter und Söhne für das Schöne begnadet, und das sieht man dem Land an.

Unschöne Wälder, Felder, Haine, Wiesen und Bächlein werden in Österreich systematisch und geschwinder als anderswo in Europa mit formschönen Betonplatten versiegelt, auf dass man darauf lauschige Baumärkte, liebliche Tankstellen und laszive Supermärkte errichte. Die Angaben schwanken, aber täglich wird hässlicher Humus im Ausmaß von ungefähr zwanzig Fußballfeldern zugepflastert.

Lückenlose Vollversiegelung

Das gibt nicht nur dem Landschaftsbild einen ruppigen Schick, es ist auch ein Beweis für das tolle Zusammenspiel von Landesregierungen und Lokalpolitik, Bauwirtschaft und Autolobby. Gemeinsam sind sie stark! Und doch: Es gäbe noch Luft nach oben. Wieso nur zwanzig Fußballfelder und nicht zum Beispiel 175 oder 217?

Rundumbetonierung und lückenlose Vollversiegelung des Staatsgebietes gehören als Staatsziel in der Verfassung festgeschrieben. Zudem muss die nationale Versiegelungsbereitschaft angehoben werden: durch Wettbewerbe etwa ("Österreichischer Versiegelungskaiser 2020") oder symbolische Vorbildaktionen wie das Niederplanieren des gesamten ersten Wiener Gemeindebezirks und Errichtung eines Großparkplatzes auf der freigewordenen Fläche.

Und wenn dann wirklich einmal ganz Österreich bis auf den letzten Quadratkilometer zuversiegelt ist? Bauen wir uns einfach ein zweites Staatsgebiet nach dem Muster "Stelzenhaus": Eine österreichförmige Betonplatte wird mittels tausender Betonpfeiler in zehn Meter Höhe auf dem jetzigen Österreich ("Unterösterreich") befestigt und auf "Oberösterreich" getauft. Oder vielleicht doch lieber auf einen anderen Namen. Sonst gibt es womöglich noch eine Verwechslung. (Christoph Winder, 25.7.2020)