Presserat sieht Opferschutz in zwei Fällen von Zeitungen der Mediengruppe Österreich schwerwiegend verletzt.

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Mit kenntlichen Fotos von Mordopfern, darunter eine Siebenjährige, haben "Österreich am Sonntag" und die Gratisversion "Oe24" schwerwiegend gegen den Opferschutz verstoßen, erklärt der Presserat. In beiden Fällen hätten die Zeitungen der Mediengruppe Österreich gravierend gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse verstoßen. Die Mediengruppe beteiligte sich laut Presserat nicht an dem Verfahren vor dem Selbstkontrollorgan.

Der Presserat hat beide Fälle selbst aufgegriffen. Er beschreibt die beiden von ihm verurteilten Veröffentlichungen so:

Im Artikel "Mutter getötet: Die Psycho-Akte des Messer-Killers" berichtete "Österreich am Sonntag" am 9. Februar 2020 über einen Mann, der auf offener Straße eine unschuldige Frau erstochen habe. Nur Stunden nachdem der Mann aus der Psychiatrie entlassen worden sei, habe er plötzlich den Drang verspürt, "irgendjemanden zu töten", und anschließend auf eine Zahnarzthelferin eingestochen. Die lebensgefährlich verletzte Ehefrau und Mutter zweier Kinder sei schließlich ihren Verletzungen im Spital erlegen. Sowohl beim Artikel wie auch auf der Titelseite sei ein Porträtfoto veröffentlicht, auf dem das Opfer unverpixelt zu sehen ist.

"Persönlichkeitsschutz des Opfers missachtet"

Der Senat des Presserats betont, dass Mordfälle grundsätzlich für die Öffentlichkeit von Interesse sind, dabei aber nicht der postmortale Persönlichkeitsschutz des Opfers missachtet werden darf. Die Veröffentlichung unverpixelter Fotos von Mordopfern auf der Titelseite erachtet der Senat als besonders gravierend, da die Opfer hier noch stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden.

Im Artikel "Alarmstufe Rot um H***-Prozess" beschrieb "Oe24" am 11. Februar 2020 den bevorstehenden Strafprozess von Robert K. (17), der im Mai 2018 seine siebenjährige tschetschenisch-stämmige Nachbarin umgebracht habe. Dem Beitrag war ein Porträtfoto beigefügt, auf dem das siebenjährige Mordopfer unverpixelt zu sehen war.

"Keinerlei öffentliches Interesse"

In diesem Fall weist der Senat zunächst darauf hin, dass bei einem Kind der Persönlichkeitsschutz besonders stark ausgeprägt ist. Gemäß Punkt 6 des Ehrenkodex ist bei Berichten über Jugendliche die Frage eines öffentlichen Interesses besonders kritisch zu prüfen und bei Kindern dem Schutz der Intimsphäre sogar Vorrang vor dem Nachrichtenwert einzuräumen; vor diesem Hintergrund greift die vorliegende Bildveröffentlichung auch in die Intimsphäre des Kindes ein.

Der Senat erkennt an der unverpixelten Veröffentlichung des Porträtfotos keinerlei öffentliches Interesse. Das Medium habe die postmortalen Persönlichkeitsinteressen des Kindes missachtet, darüber hinaus wurde auch der Persönlichkeitsschutz der nahen Angehörigen verletzt.

Die Medieninhaberin der beiden Titel wurde aufgefordert, die Entscheidungen freiwillig zu veröffentlichen oder darüber zu berichten. (red, 24.7.2020)