Sie gilt mit Lise Meitner als eine der großen Wissenschafterinnen, denen die höchsten Anerkennungen in der Wissenschaft auch deshalb verwehrt blieb, weil sie Frauen waren. Anders als Meitner, die nicht weniger als 48 Mal für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde, hat man die britische Chemikerin und Röntgenkristallografin Rosalind Franklin nie dafür nominiert – was daran lag, dass Franklin mit nur 37 Jahren nach einem kurzen, aber umso intensiveren Forscherinnenleben starb.

Franklin ist vor allem dafür bekannt, dass ihr entscheidender Beitrag zu einer der wichtigsten Entdeckungen des 20. Jahrhundert – der Entschlüsselung der DNA-Struktur – zu Unrecht lange marginalisiert wurde. Die Geschichte wurde oft erzählt: James Watson und Francis Crick forschten Anfang der 1950er-Jahre in Cambridge an diesem "Geheimnis des Lebens". Erst mit Franklins DNA-Röntgenbeugungsaufnahme, die ihnen ohne das Wissen der Forscherin zugegangen war, bekamen sie den entscheidenden Hinweis auf die Doppelhelix-Form.

Matthäus- und Mathilda-Effekt

Watson und Crick erhielten gemeinsam mit Maurice Wilkins, der Franklins berühmtes "Foto 51" ohne Nachfrage bei der Autorin weitergegeben hatte, 1962 den Medizinnobelpreis. Franklin war da schon vier Jahre tot. Dennoch machten die drei Wissenschafter wenig Anstalten, ihre Kollegin posthum für ihre bahnbrechenden Vorarbeiten zu würdigen. Die lange unterschätzte Rolle der Biochemikerin gilt als klassisches Beispiel für den Matilda-Effekt in der Wissenschaft, der gewissermaßen die Kehrseite des Matthäus-Effekts darstellt und die systematische Verdrängung und Leugnung der Beiträge von Wissenschaftlerinnen in der Forschung beschreibt

Man würde der Forscherin Rosalind Franklin, die am 25. Juli 1920 in eine bekannte jüdische Familie Londons geboren wurde, ein weiteres Mal Unrecht tun, wenn man ihre kurze wissenschaftliche Karriere bloß auf ihre Forschungen zur DNA reduzieren würde. Denn trotz ihres viel zu frühen Todes hat sie in vielen anderen Bereichen Bahnbrechendes geleistet – von der Biologie bis zur Physik – und vor allem in Fragen, die weit über die Wissenschaft hinaus Relevanz hatten, wie es im aktuellen Editorial des Wissenschaftsmagazins "Nature" heißt.

Frühe Erkenntnisse über Kohle

Franklins wissenschaftliche Begabung zeigte sich bereits sehr früh. So sagte eine Tante über die Sechsjährige: "Rosalind ist erschreckend schlau – aus reinem Vergnügen verbringt sie ihre ganze Zeit mit Arithmetik und ihre Rechnungen stimmen immer." Bereits mit 17 bestand sie die Aufnahmeprüfung an der Uni Cambridge, wo sie sich bald auf Kristallografie und physikalische Chemie spezialisierte und 1941 über Dichte, Struktur und Zusammensetzung von Kohle promovierte.

Das war in Kriegszeiten mehrfach von Bedeutung: Franklin wollte die Porosität von Kohle verstehen, um Hinweise zu geben, wie man sie effizienter verbrennen kann. Die Porosität von Kohle war aber auch ein Schlüsselfaktor für die Wirksamkeit von Gasmasken im Zweiten Weltkrieg, die Aktivkohlefilter enthielten. Damit half Franklin indirekt bei der Entwicklung der Schutzausrüstung ihrer Zeit.

Ihre wichtigste Erkenntnis ihrer Kohleforschungen wurde dann 1951 publiziert: Sie konnte zeigen, dass der bei der Verbrennung von Kohle entstehende Kohlenstoff in eine von zwei Kategorien fällt, nämlich graphitisierend oder nicht-graphitisierend, und dass jeder Kohlenstoff eine unterschiedliche Molekularstruktur aufweist.

Wichtige Beiträge zur Virenforschung

Nachdem sie von 1947 bis 1950 in Paris gearbeitet hatte, forschte sie bis 1953 am King’s College in London, wo sie jene detaillierten Röntgenbeugungsbilder erstellte, die zu ihrem Markenzeichen werden sollten. Thematisch wechselte sie in den späten Jahren, die sie am Birkbeck College verbrachte, zu den Viren, die zu ihren bevorzugten Forschungsobjekten wurden. So konnte sie unter anderem die RNA-Struktur des Tabakmosaikvirus bestimmen, das Pflanzen befällt und Tabakpflanzen zerstört.

Nach der Untersuchung weiterer Pflanzenviren, die wichtige landwirtschaftliche Nutzpflanzen wie Kartoffeln, Rüben, Tomaten und Erbsen befallen, wandte sie sich 1957 abermals einem neuen Thema zu und begann mit der Untersuchung des Polio-Virus. Zu dieser Zeit war der Auslöser der Kinderlähmung eine gefürchtete übertragbare Krankheit. Mittlerweile ist sie weitgehend ausgerottet.

Franklin blieb nicht mehr viel Zeit: Im Jahr 1956 war bei ihr ein Eierstocktumor diagnostiziert worden. Zwei Jahre später starb sie im Alter von nur 37 Jahren. Ihre Mitarbeiter Aaron Klug und John Finch veröffentlichten im folgenden Jahr die Struktur des Poliovirus und widmeten den Aufsatz ihrem Gedenken. Aaron Klug erhielt 1982 den Nobelpreis für Chemie für seine Arbeiten zur Strukturanalyse von Viren.

Posthume Ehrungen

Franklin wurde auf dem jüdischen Friedhof in Willesden in London beigesetzt. In der Mitte ihres Grabsteins steht nach ihren Lebensdaten groß das Wort "Scientist". Darauf folgt die Inschrift: "Ihre Forschungen und Entdeckungen über Viren sind von bleibendem Nutzen für die Menschheit." Tatsächlich trugen ihre Pionierarbeiten wesentlich dazu bei, dass heutige Virologen etwa die Struktur von Sars-CoV-2 viel besser verstehen, als das zu Franklins Zeiten möglich gewesen wäre.

Auch die Wertschätzung für Franklins Leistungen zeigt sich im 21. Jahrhundert deutlicher als in den Jahrzehnten nach ihrem Tod: So etwa vergibt die ehrwürdige britische Royal Society seit 2003 den Rosalind Franklin Award zur Förderung von Frauen in Wissenschaft und Technik. Eine Hochschule in Chicago benannte sich ein Jahr später in Rosalind Franklin University of Medicine and Science um.

Das Logo der Rosalind Franklin University ziert das berühmte Foto 51, das für die Aufklärung der DNA-Struktur entscheidend war.
Foto: Rosalind Franklin University

Der Mars-Rover ExoMars schließlich, der doch nicht heuer, sondern erst 2022 von der europäische Weltraumagentur ESA zum Mars geschickt werden soll, ist ebenfalls nach der großen Wissenschafterin benannt, die nur kurz lebte, aber der Wissenschaft und der Menschheit so viel schenkte. (tasch, 25.7.2020)