Ein Kilo Gemüse ist vielfach teurer als ein Kilo Fleisch. Der Preis von Lebensmitteln bildet die realen Kosten nur bedingt ab.

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Das Kilo Hühnerfleisch lockt um 2,50 Euro, im Preis mit dabei ist das AMA-Gütesiegel. Wer 50 Cent drauflegt, erhält ein Kilo Schweinefleisch. Um den gleichen Preis ist in den Restaurants der Möbelhäuser ein fertig rausgebackenes Schnitzel mit Beilage zu haben. Österreichs Händler haben mit Rabatten nie gegeizt.

Die Corona-Krise heizt die Preisschlachten jedoch zusätzlich an. Denn die Einkommen vieler Haushalte sinken, Agrarrohstoffe gibt es europaweit im Überschuss, und das seit jeher sicherste Rezept, um mehr Lust aufs Einkaufen zu machen, sind Schleuderpreise.

Wie die Österreicher in den Supermärkten in der Realität konsumieren, lässt sich an den Kassenbons ablesen. Wie sie gern im Sinne ihrer guten Vorsätze konsumieren würden, erhob die Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien in einer aktuellen Umfrage. Die Diskrepanz könnte größer nicht sein.

Keine Lust auf Importe

80 Prozent der gut 500 befragten Österreicher ziehen Lebensmittel aus dem eigenen Land importierten vor. 70 Prozent plädieren dafür, überhaupt nur noch österreichische Produkte zu kaufen. Warum? Weil das hierzulande Jobs sichere und umweltfreundlich sei. Weil Österreich strenger kontrolliere. Weil Lebensmittel damit gesünder und bekömmlicher seien. Kurzum: Ohne Importe fahre man besser durch Krisen.

Folglich gewannen die Österreicher ihre Landwirte seit dem Ausbruch der Pandemie lieber als je zuvor. 91 Prozent nennen sie systemrelevant. 89 Prozent loben sie gemäß der Studie als verlässliche Partner. 86 Prozent vertrauen darauf, dass es auch künftig zu keinem Versorgungsengpass kommt.

Ebenso viele beklagen den Preisdruck, dem die Bauern im Handel ausgesetzt seien und sind sich des Problems billiger Importe aus dem Ausland bewusst. Was hindert die Österreicher also daran, zu echten Konsumpatrioten zu werden?

Land der Exporte

Die Gründe dafür sind menschlicher wie wirtschaftlicher Natur. Nicht nur, dass viele gute Vorsätze beim Griff zum Einkaufswagerl gerne beiseitegeschoben werden: Österreich ist Exportnation. Die Grenzen nach außen durchlässig zu halten, nach innen aber zu verbarrikadieren, ist hochriskant. So mächtig Lebensmittelketten auch sind – in Summe nehmen sie den Landwirten weniger als zehn Prozent ihrer Erzeugnisse ab.

Regionalität allein ist auch kein Qualitätskriterium: Mit Steinen auf Importe zielen sollten vor allem jene nicht, die in energieintensiven Glashäusern sitzen.

Österreich zu einem Selbstversorger zu verklären ist fern jeder Realität. Rohstoffe, bei denen das theoretisch möglich wäre, lassen sich an drei Fingern abzählen.

Einblick in die Kochtöpfe

Was es Konsumenten in jedem Fall erschwert, Lebensmitteln aus dem Ausland zu entsagen, ist fehlende Transparenz. Wer nicht genau erkennt, was drin ist, hat auch keine Chance, darauf Einfluss zu nehmen. Das weiß auch Elisabeth Köstinger, VP-Landwirtschaftsministerin. Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel sei ein klarer Auftrag an die Politik, sagt sie und sieht in der Causa derzeit das Gesundheitsministerium am Zug.

Mehr Einblick in ihre Töpfe gewähren müssen ab 2021 öffentliche Küchen. Für die Wirte belässt es Köstinger auf Druck des Wirtschaftsbundes bei freiwilligen Gütesiegeln. Also werden sich deren Gäste auch in Zukunft darüber unsicher sein, ob für manch steirischen Backhendlsalat nicht ukrainisches Geflügel herhalten musste. Köstinger erinnert freilich an das Frühstücksei vom namentlich genannten Bauern, das vielerorts bereits aufgetischt werde: "Qualitätsgastronomie kommt ohne die Kennzeichnung nicht mehr aus." Sie appelliert zudem einmal mehr an Konsumenten, darauf zu achten, woher Lebensmittel kommen.

Verantwortung delegieren

Für Sebastian Bohrn-Mena, Initiator des Tierschutzvolksbegehrens, mutet es vollkommen absurd an, dass Politik die Verantwortung delegiert. "Lieber sollen 6,5 Millionen Menschen ihr Konsumverhalten ändern, als dass die Regierung die Weichen stellt, damit die bäuerliche Arbeit nicht entwertet wird." Die extreme Rabattpolitik mancher Supermärkte provoziere Lebensmittelverschwendung.

Die Preise für Lebensmittel sind aus seiner Sicht in jedem Fall verzerrt. "Warum kostet ein Kilo Bio-Paradeiser mehr als ein Kilo Fleisch?" Bei Bio schlage der Handel gern was drauf, im Wissen, dass viele Kunden bereit sind, dafür mehr auszugeben. Bei konventionellem Fleisch wiederum zahle er selbst dazu, weil Aktionspreise schlicht nicht kostendeckend seien.

Was die fehlende Pflicht zur Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie betrifft, so hält Bohrn-Mena den bürokratischen Aufwand für ein Totschlagargument. Die freiwillige Kennzeichnung funktioniere nachweislich nicht. "Konsumenten haben im Jahr 2020 ein Recht darauf, zu erfahren, woher Lebensmittel kommen." (Verena Kainrath, 25.7.2020)