STANDARD: Sie haben einmal bei einem Vortrag gesagt, man müsse als Führungskraft "nicht 70 Stunden" arbeiten? Wie sieht es mit Ihrer Work-Life-Balance aus?

Kröswang: Theoretisch würde ich so mit 25 bis 30 Stunden gut durchkommen. In Krisenfällen können es natürlich dann einmal deutlich mehr sein. Aber es geht gerade bei größeren Unternehmen darum, eine gute Führungsmannschaft zu haben. Ich habe selbst bemerkt, dass ich, wenn ich eine bessere Work-Life-Balance haben möchte, gute Leute ins Unternehmen holen muss.

STANDARD: Da geht es natürlich auch darum, dass man Verantwortung abgeben kann. Fällt Ihnen das mitunter schwer?

Kröswang: Das hängt natürlich vom Unternehmertyp ab. Ich bin in das Familienunternehmen eingestiegen und habe die ersten Jahre von 6.00 früh bis 22.00 Uhr am Abend durchgearbeitet. 100 Mails und bis zu 70 Telefonate am Tag. Ich habe aber auch sehr schnell gemerkt, dass das nicht das Leben ist, das ich führen möchte. Und somit ist es mir nicht so schwer gefallen, Leute zu suchen, denen ich etwas abgeben kann. Und es hat ab dem Zeitpunkt der Erkenntnis dann fünf Jahre gedauert, bis alle Positionen optimal besetzt waren.

Das rote Kappengewölbe lässt eindeutige Rückschlüsse auf die historische Bausubstanz des elterlichen Hofes zu. Manfred Kröswang hat am großen Besprechungstisch vor dem Kamin Platz genommen. Für das stressige Lebensmittellogistikgeschäft wirkt der 31-Jährige erstaunlich gelassen.
Foto: HERMANN WAKOLBINGER

STANDARD: Sie beliefern mehr als 12.000 Gastronomie- und Hotelleriebetriebe in Österreich und Süddeutschland mit frischen und tiefgekühlten Lebensmitteln. Mit dem Covid-19-Lockdown ist Ihnen dann ja quasi über Nacht fast das ganze Geschäft weggebrochen. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Kröswang: Es gibt ja verschiedene Krisenszenarien, die wir immer durchgespielt haben und auf die wir vorbereitet sind. Bezüglich Kundengruppen, Warengruppen – was könnte passieren, dass das Unternehmen ein Problem kriegt? Und wir waren der Meinung, dass wir auf alle Eventualitäten entsprechend vorbereitet sind. Das hat sich ja etwa auch damals bei der Vogelgrippe gezeigt. Da haben die Leute mehr Schweine- oder Rindfleisch gegessen. Und wir als Lebensmittelgroßhändler haben uns rechtzeitig darauf eingestellt. Wir sind als Unternehmer breit aufgestellt – Gastro, Hotels, Krankenhäuser, Altersheime. Da denkt man, da kann kaum etwas passieren. Und plötzlich sperren all unsere Kunden gemeinsam zu. Mit 16. März waren 85 Prozent der Kunden weg. Und wir hatten unendlich viel Ware. Zwölf Millionen Euro Lagerstand und keine Abnehmer.

STANDARD: Was tut man da?

Kröswang: Wir sind von der Eigenkapitalquote gut aufgestellt. Da habe ich schon gewusst, dass wir eine gewisse Zeit Luft haben. Aber keiner hat ja damals gewusst, wie lange das alles dauern wird. Natürlich haben wir dann auch umgehend mit den Banken gesprochen, um gewisse Kreditrahmen entsprechend abzusichern.

STANDARD: Was macht man mit den Unmengen an leicht verderblicher Ware im Lager?

Kröswang: Wir haben vieles verschenkt. Aber irgendwann hat es keiner mehr genommen, weil auch die ganzen Sozialeinrichtungen mehr als genug hatten. Wir haben einen Lagerabverkauf für Privatkunden organisiert. Was aber natürlich auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein war. Am Ende des Tages haben wir aber natürlich auch vieles entsorgen müssen. Und glauben Sie mir: Die Paletten im Lager mit Lebensmitteln, die auf dem Müll landen, zu sehen war bitter.

STANDARD: Gab es in dieser Phase nicht auch Momente, wo Sie die rigorosen Maßnahmen der Regierung grob angezweifelt haben?

Kröswang: Aus Unternehmersicht muss ich sagen, dass auf Regierungsseite während der Krise sehr viel richtig gemacht wurde. Die gesetzten Corona-Maßnahmen waren gut und richtig. Gestört haben mich diese permanenten politischen Inszenierungen. Da war einfach wahnsinnig viel Selbstvermarktung dabei. So etwas ist man als Unternehmer nicht gewöhnt.

STANDARD: Viel Kritik gab es unter anderem rund um die Entschädigungszahlen für Unternehmer. War das für Sie ein Thema?

Kröswang: Entschuldigung, aber Unternehmen, die nach einem Monat schon schreien, dass sich alles nicht mehr ausgeht, haben schon lange vor der Corona-Krise ein Problem gehabt. Und wenn man die Gelder rasch ausgezahlt hätte, wäre sicher die Kritik gekommen, dass vieles zu wenig geprüft wurde. Aber natürlich war die Entschädigung im Vergleich zum Verlust nur ein minimaler Anteil.

STANDARD: Was heißt das in Zahlen?

Kröswang: Wir haben etwa 400.000 Euro pro Wochen verloren.

STANDARD: In welchem Ausmaß bedienen Sie mit Ihrem Sortiment den Bio-Trend?

Kröswang: Den Trend zu Bio haben wir, im Gegensatz zum Einzelhandel, nie so gespürt. Wir haben ein Biosortiment von etwa 100 Artikeln. Das große Geschäft ist es aber für uns nicht. Wir setzen auf Regionalität und Frische.

STANDARD: Die Lebensmittelbranche ist national und international hart umkämpft – eine stete Schlacht um den geringsten Preis. Wo positionieren Sie sich da? Kämpft man da mit?

Kröswang: Nein. Es steht bei uns nicht der Preis, sondern die Qualität im Vordergrund. Ich denke, wir sind der einzige Lebensmittelgroßhändler in Österreich, der jedes Produkt, welches gelistet werden soll, auch selber vorher verkostet. Nur wenn die Ware so gut ist, dass es für unsere Tester passt, nehmen wir die Ware auch ins Sortiment auf. Nur zehn von 100 Artikel, die uns von der Industrie angeboten werden, kommen dann letztlich für uns infrage.

STANDARD: Obwohl Sie ja mit Ihrer Eigenmarke "Klaushof" durchaus auch das Billigsegment bedienen. Geht’s ohne günstige Massenware also doch nicht?

Kröswang: Der große Unterschied zum Einzelhandel ist, dass Sie bei uns keinen Qualitätsunterschied zwischen Marke und Eigenmarke spüren. Unser Anspruch ist, dass die Eigenmarke mindestens so gut ist wie die Marke. Der niedrige Preis ergibt sich durch unsere geringe Kostenstruktur. Wir sparen nicht bei der Qualität.

STANDARD: Sie führen mit erst 31 Jahren eines der größten Lebensmittelunternehmen im deutschsprachigen Raum. War es immer klar, dass Sie den Betrieb übernehmen werden?

Kröswang: Bei mir war es eigentlich immer klar. Ich habe schon mit zwölf Jahren versucht, Backwaren, die von den Supermärkten an unser Unternehmen zurückgekommen sind, am Tennisplatz zu verkaufen. Mit 14 Jahren haben mich meine Eltern gefragt, ob ich irgendwann einmal die Firma übernehmen möchte. Und ich habe damals – wissend, unwissend oder gesteuert von den Eltern – schon zugesagt. Und ich habe gleich vom Sportgym in die HAK gewechselt. Und während des BWL-Studiums habe ich dann schon in der Filiale in Wien mitgearbeitet.

STANDARD: Ist man nicht der Familie und dem Unternehmen verpflichtet. Hätten Sie überhaupt die Möglichkeit gehabt, Nein zu sagen?

Kröswang: Doch. Meine Geschwister zum Beispiel sind ja auch nicht im Unternehmen. Aber der Beginn war durchaus hart. Ich war mit 24 Jahren und frisch von der Uni eigentlich völlig überfordert. Ich hatte keine Ahnung von Personalführung. Ich bin hergegangen und habe gesagt: "Ich bin der Chef, und so machen wir das jetzt." Über die Jahre merkst du dann plötzlich, dass es sinnvoller ist, hinzuschauen und zu erkennen, wie die Leute wirklich ticken.

STANDARD: Insbesondere das Verhältnis zu Ihrem verstorbenen Vater war firmenintern durchaus von Konflikten geprägt. Lässt sich das in einer generationsübergreifenden Leitungsebene generell nicht vermeiden?

Kröswang: Es muss nicht dazugehören, aber es ist halt oft so. Rückblickend würde ich es so bewerten, dass es eben eine Generation gegeben hat – und in der war mein Vater –, die von null etwas aufgebaut hat. Und das war nur möglich, weil es sehr starke Persönlichkeiten waren – aber eben auch Egoisten und Patriarchen. Ich weiß ehrlich nicht, ob ich gekonnt hätte, was mein Vater gekonnt hat. Er hat ein unglaubliches tolles Unternehmen aufgebaut. Aber Kritik am Führungsstil war da nicht erwünscht. Es hat so eine Art Scheindemokratie gegeben. So etwas geht bis zu einer gewissen Unternehmensgröße. Ich habe es sicher deutlich demokratischer angelegt.

STANDARD: Mit Ihrer Mama, die heute noch im Unternehmen tätig ist, war das Verhältnis aber immer besser. Können Söhne besser mit der Mama?

Kröswang: Die Mama ist mein Aufsichtsrat. Sie ist zwar schon in Pension aber immer noch offiziell in der Geschäftsführung. Mit ihr war es immer ein sehr wertschätzendes Verhältnis, wo jeder seinen eigenen Bereich gehabt hat. Gegenseitig haben wir uns aber immer sagen können, was uns beim anderen auffällt. Generell ist das keine Männer- oder Frauenthema. Das Zwischenmenschliche muss einfach passen. (INTERVIEW: Markus Rohrhofer, 25.7.2020)