Zwei Erstklässlerinnen, die inzwischen junge Frauen sind, fotografiert an ihrem ersten Schultag im Jahr 2000.

Foto: apa/dpa/Oliver Berg

Diese Kolumne war eigentlich für den Schulanfang im September geplant. Sie hätte versöhnlich geendet, mit einem Lob der Lehrerinnen und Lehrer. Von deren Kompetenz und Einfühlungsvermögen hängen schlussendlich tausende Bildungskarrieren ab. Und dann dokumentierte ein Lehrer seinen Rassismus in einem öffentlichen Video.

Doch zurück in die Zukunft, an den Anfang des Schuljahres im September. Wird das eigene Kind eingeschult, kommen wohl bei vielen Menschen Erinnerungen an die eigene Schulzeit wieder hoch. Manchmal sind sie nicht alle positiv, manchmal sind es regelrechte Traumata. Für das eigene Kind möchte man natürlich das Beste und wälzt allerlei Sorgen. Im Grunde plagen alle Eltern vermutlich recht ähnliche Fragen und Erwartungen.

#MeTwo und Schule

Wird er oder sie sich gut in der Schulgemeinschaft zurechtfinden? Wird die Lehrerin – in seltensten Fällen ist es ein Lehrer – nett sein? Wird das Kind gerne lernen? Wird es selbstständig sein oder viel Unterstützung brauchen? Wird es Freunde finden? Im Grunde plagen alle Eltern vermutlich recht ähnliche Sorgen.

Eltern, die selbst als Kinder der sogenannten zweiten Generation das österreichische Schulsystem durchlaufen haben, schleppen oft noch ein zusätzliches Packerl an Sorgen mit sich. Sie erinnern sich an die eigene Schulzeit, in der sie in den 1980ern und 1990ern zu einer Minderheit im österreichischen Schulsystem gehörten.

Du wirst nie einen Einser in Deutsch haben, Deutsch ist nicht deine Muttersprache.

Das Gymnasium ist nichts für Ihren Sohn, in der Hauptschule ist er unter seinesgleichen.

Wenn Sie wollen, dass Ihre Kinder gutes Deutsch sprechen, müssen Sie auch zu Hause Deutsch sprechen.

An diese und ähnliche Sätze von Lehrern und Lehrerinnen erinnern sich Menschen, die als Kinder von Gastarbeitern oder Flüchtlingen in Österreich die Schule besucht haben. Im Jahr 2018 wurden diese Diskriminierungserfahrungen unter dem Hashtag #MeTwo in sozialen Medien geteilt.

Kevin gegen Sophie

Die Frage "Wird das Lehrpersonal meinem Kind ohne Vorurteile begegnen?" gesellt sich also oft zu den anderen Dingen, die Eltern von Schulanfängern plagen. Und natürlich ist das eine Sorge, die nicht unbedingt nur etwas mit dem sogenannten Migrationshintergrund zu tun hat. Eine 2009 durchgeführte Befragung unter deutschen Grundschullehrern zeigte, dass diese mit bestimmten Vornamen bestimmte Eigenschaften verbinden. Kinder mit den Namen Kevin, Chantal, Mandy oder Justin halten die Lehrerinnen und Lehrer für weniger leistungsstark, dafür aber verhaltensauffälliger als Charlottes, Sophies, Maries, Hannahs, Alexanders oder Maximilians.

Muhammeds und Jelenas kamen in der Untersuchung erst gar nicht vor. Und wie steht es eigentlich mit der Hautfarbe der Kinder, die in den Schulbänken sitzen?

Der Trost und der Schock

"Unseren Kindern wird es besser ergehen, ihnen kann nichts passieren", sagte ich neulich zu einer Freundin, die auch bald ein Schulkind haben wird. Unsere Kinder haben nämlich uns. Vor den Lehrern und Lehrerinnen unserer Kinder werden keine Menschen stehen, die kaum oder gebrochen Deutsch sprechen.

Uns kann das Schulsystem nicht einschüchtern, denn wir kennen es. Wir sind, im Unterschied zu unseren Eltern, nicht fremd. Unsere Kinder haben Mütter und Väter, die trotz schlechter Startbedingungen Studien abgeschlossen und sogenannte Karrieren gemacht haben. Unsere Kinder müssen nicht die Gespräche beim Elternabend dolmetschen.

Rassistischer Lehrer

"Wir sind schon sehr privilegiert", sagte ich in diesem Gespräch vor ein paar Wochen, "unseren Kindern kann nichts passieren." Und dann kam der rassistische Lehrer, der aufgrund der Namensliste schon entschieden hatte, wer ein Mobber ist. Ein Lehrer, der keine Hemmungen hatte, die Daten seiner Schüler in einer Facebook-Gruppe zu posten, bei der es sich – vorsichtig gesagt – um ein Forum für rechtsgerichtete Bürger handelt.

Migrationshintergrund hin oder her, jedes Elternteil will seine Sechsjährige oder seinen Sechsjährigen in den Händen einer wohlwollenden, aufgeschlossenen Lehrkraft wissen. Und natürlich sind Lehrerinnen und Lehrer keine vorurteilsfreien Menschen – das ist niemand von uns. Doch das Bildungssystem muss dafür sorgen, dass möglichst alle Kinder die gleichen Chancen bekommen, nach ihren Talenten und Fähigkeiten beurteilt zu werden und nicht aufgrund ihres Namens, des Bildungsstands ihrer Eltern oder ihres Aussehens. Diese schwierige Aufgaben ist in einem Einwanderungsland wie Österreich eine besonders schwere, aber von enormer Wichtigkeit für die Zukunft der gesamten Gesellschaft.

Das, was gemeinhin als Integration verstanden wird, passiert zu einem großen Teil in der Schule. Hier treffen die Neuankömmlinge in diesem Land meistens zum ersten Mal auf die Mehrheitsgesellschaft. Sie vertrauen der Schule ihre Kinder an. Sie vertrauen darauf, dass sie die gleiche Behandlung erfahren wie jene, die seit Generationen und Jahrzehnten hier leben. Das besagte rassistische Video des Lehrer untergräbt dieses Vertrauen. Auch bei jenen, die sich längst dazugehörig fühlen. (Olivera Stajić, 28.7.2020)