Wie es ein unumstößliches Gesetz ist, dass allein der Blick auf ein Stück Schokolade die Kleidung enger werden lässt, gibt es auch eines, das besagt, dass ein Golf immer ein Golf bleiben muss, weil allzu radikale Änderungen in Design und Ausrichtung die Zielgruppe verschrecken könnten. Und die Zielgruppe des Golf ist riesig. Und äußerst schreckhaft. Darum wirkt der Golf jetzt nach 46 Jahren, auch wenn er in der achten Generation dasteht, auf den ersten Blick schon ein bisserl bieder. Auf den zweiten Blick schaut die Sache aber anders aus.
Kollege Andreas Stockinger hat vor kurzem an ebendieser Stelle die Revolution am Armaturenträger anhand des 1.5 TSI beschrieben. Darum sehen Sie mir bitte nach, wenn ich dieses Kapitel hier beim Mild-Hybrid-Golf vollständig auslasse. Es wäre ohnedies nur eine Wiederholung des bereits treffend Formulierten. Stattdessen konzentrieren wir uns hier lieber auf den Hybrid-Antrieb. Denn der ist zur Überraschung der ganzen Redaktion mehr als nur gelungen.
Wie der Name Mild-Hybrid schon sagt, ist es die unaufwendigste und günstigste Art, einen Wagen zum Hybrid zu machen. Man kann – oder braucht – den Wagen nicht anstecken. Das System ist aber auch so klein dimensioniert, dass rein elektrisches Fahren nicht möglich ist. Elektrifiziertes Herzstück des Hybridantriebs ist ein 48-Volt-Riemen-Startergenerator, der an einer Lithium-Ionen-Batterie hängt.
Er unterstützt beim Anfahren und Beschleunigen und speist die Akkus, indem er einen Teil der Bremsenergie zurückgewinnt. Das Einsparungspotenzial eines solchen Systems ist also überschaubar. Mag man meinen. Volkswagen selbst spricht zwar von "signifikanten" Reduktionen von bis zu zehn Prozent auf Basis der WLTP-Messwerte. Aber in der Praxis geht da weit mehr.
Im Test war es ein Leichtes, den WLTP-Verbrauch von über sechs Litern weit zu unterbieten. Am Ende waren es 4,9 Liter, die der Golf brauchte. Der Ehrlichkeit halber muss aber auch bemerkt werden, dass er, bevor er in unsere Hände kam, einen Schnitt von fast acht Litern anzeigte.
Pedalkräftegesetz
Womit wir beim nächsten unumstößlichen Gesetz sind, das besagt, je geringer die durchschnittliche Distanz des Gaspedals zur Bodenplatte ist, desto kürzer ist die Distanz bis zum nächsten Tankstellenstopp. Und man kann mit dem eTSI, so heißt der Mild-Hybrid-Golf, herrlich bolzen.
Kein Wunder, denn der kleine E-Antrieb verhilft dem nur 1,5 Liter großen Vierzylinder-Turbobenziner zu einem recht stattlichen Drehmoment. Das macht er so gut, dass Diesel mit der gleichen Leistung daneben wohl alt aussehen dürften.
Fahrwerk und Lenkung sind gut zwischen Komfort und Feedback abgestimmt worden. Die Sitzerei ist nicht nur ergonomisch, sondern bietet auch guten Seitenhalt.
Besser beraten ist man aber, wenn man diese Eignungen zum Hudeln als nettes Extra versteht, und sich des Sparpotenzials des gesamten Systems widmet. Beim Golf ist der Mild-Hybrid nämlich kein aufgesetztes Larifari, das allein den WLTP-Verbrauch im Prospekt ein wenig senken soll. So nutzt der Golf etwa die Daten aus dem Navi und deutet einem, mit einem kleinen Icon im Head-up-Display – das kostet extra, spielt die Infos aber dafür direkt auf die Windschutzscheibe –, wann man den Fuß vom Gas nehmen soll. Das passiert etwa vor Ortseinfahrten oder Kreisverkehren.
Folgt man der Information, stellt der Golf, wenn es der Akkustand des 48-Volt-Netzes erlaubt, den Motor ab und beginnt zu segeln. So hat man am Ortseingang, ohne zu bremsen, 50 km/h am Tacho, vor dem Kreisverkehr 30. Das spart nicht nur Sprit und schont die Bremsen, sondern auch die Nerven. So man halt schon reif dafür ist, sparsam zu fahren. (Guido Gluschitsch, 01.08.2020)