Ein Staffordshire-Terrier wie dieser war der Auslöser eines Nachbarschaftsstreits in Wien-Donaustadt, der nun vor Gericht endete.

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Wien – Vor Gericht kann es durchaus emotional werden. Angeklagte stehen unter psychischem Druck, Zeugen können von ihren Gefühlen übermannt werden. Dass aber von vier Angeklagten zwei wegen ungebührlichen Verhaltens des Saales verwiesen werden, erlebt man nicht alle Tage – beim von Daniela Zwangsleitner geführten Verfahren um eine längerwierige Auseinandersetzung in einem Gemeindebau in Wien-Donaustadt passiert genau das.

Begonnen hat die Geschichte im vergangenen Dezember. Erstangeklagte A., 20 Jahre alt und unbescholten, war am 6. 12. mit ihrem Staffordshire-Terrier unterwegs. "Warum haben Sie einen Hund, für den man einen Hundeführschein braucht, obwohl Sie keinen haben?", will Zwangsleitner wissen. "Ich habe den Hund aus einer schlechten Familie gerettet. Sie war noch nicht bereit für den Führschein." – "Aha." – "Sie hat sich ja mit anderen Hunden verstanden. Die Menschen waren das Problem. Also die Männer", erläutert die Erstangeklagte.

Angst vor Staffordshire-Terrier

A. hatte das Tier an der Leine, sagt sie, leider sei es sehr kalt gewesen. Daher seien ihre Finger taub gewesen, und sie konnte die Leine nicht rechtzeitig fixieren, als der Hund auf den Viertangeklagten M. zulief. Der hatte nicht nur seine Tochter im Arm, sondern auch Angst vor Hunden, es kam zu einem Wortgefecht. Wechselseitig wurde die direkte Abstammung von Sexarbeiterinnen konstatiert. Laut der Erstangeklagten gipfelte die Auseinandersetzung darin, dass beide Seiten mit einer Anzeige drohten, worauf der Viertangeklagte gedroht habe, er werde A. und ihre Familie "ficken".

Knapp zwei Monate lang war dann Ruhe. Bis am 1. Februar die Drittangeklagte, gleichzeitig Lebensgefährtin des Viertangeklagten, auf Hundebesitzerin A. traf. Die stellt es vor Gericht so dar: Die andere Frau sei "hektisch und aufgeregt" auf sie zugelaufen und habe sie beschimpft. Sie habe sie daher weggestoßen, um sich Platz zu verschaffen. Danach habe sie ihren Hund nach Hause gebracht und vor der Stiege der Drittangeklagten auf diese gewartet, um die Sache zu klären.

Schlag oder Unfall

Was im Stiegenhaus genau passierte, ist unklar – sicher ist nur, dass A. am Ende eine Platzwunde am Kopf hatte. Die Verletzte sagt, die Kontrahentin habe sie so fest geschlagen, die Drittangeklagte wiederum, sie habe A. nur weggestoßen und diese sei unglücklich gegen die Wand geprallt.

Zwei Tage später eskalierte die Situation endgültig. Die zweitangeklagte Mutter von A. war mit ihrem eigenen und dem Hund der Tochter Gassi, als sie dem Viertangeklagten M. begegnete. "Ich wollte reden, warum meine Tochter verletzt wurde"; sagt sie der Richterin. M. war laut ihrer Darstellung weniger an einem Dialog interessiert. "Er war gleich auf tausend. Er hat gesagt, er vergewaltigt meine Tochter und sie ist eine Hure."

Dann sei auch noch die Drittangeklagte heruntergekommen und habe gedroht, sie hole ein Messer und töte die Tochter, begleitet von einer Geste über die Kehle. Die Mutter sagt, aus Angst habe sie dem Hund ihrer Tochter den Beißkorb abgenommen, worauf der Viertangeklagte das Tier getreten habe. Schlussendlich endete auch dieser Streit im Treppenhaus, die 41-jährige Mutter von A. erlitt dabei einen blauen Fleck.

Nur eine bekennt sich teilschuldig

Die Drittangeklagte ist die Einzige, die sich zumindest teilschuldig bekennt – für den Stoß im Treppenhaus gegen die Erstangeklagte, der mit der Platzwunde endete. Warum sie am 1. Februar unbedingt den Vorfall vom 6. Dezember besprechen wollte, erklärt sie damit, dass man sich dazwischen nie gesehen habe. An sich habe man davor keine Probleme miteinander gehabt, seit Februar gehe man sich aus dem Weg.

Der Auftritt des 23-jährigen Viertangeklagten gerät dann gelinde beschrieben seltsam. Er bekennt sich nicht schuldig und ist von Beginn an angriffig. Er wirft der Richterin vor, nicht zuzuhören, spricht sie gelegentlich per du an und sticht immer wieder mit dem Zeigefinger durch die Luft in ihre Richtung. Dass er mit der Verhandlungsführung nicht einverstanden ist, artikuliert er auch: "Ich war tausendmal im Gericht, ich habe noch nie so eine Richterin wie Sie erlebt!", empört sich der dreifach Vorbestrafte.

Mehrere Ermahnungen erfolglos

Drei-, viermal ermahnt Zwangsleitner ihn und fordert ihn auf, sich zu mäßigen und die Hände auf dem Tisch zu lassen. Auch seine Lebensgefährtin versucht ihn zu beruhigen. Erfolglos. Der Afghane beharrt darauf, dass die andere Seite Schuld trage, dass er nach zehn Jahren in Österreich nun abgeschoben werden solle. Als M. dem Staatsanwalt eine Gegenfrage stellt und die Richterin ihn darauf hinweist, dass das nicht zulässig sei, reicht es dem Viertangeklagten endgültig: "Wieso sind Sie so frech?", schleudert er Zwangsleitner entgegen.

Die verweist ihn daraufhin wegen ungebührlichen Verhaltens des Saales und kündigt an, dass er eine neue Ladung erhalten werde. M. ist außer sich: "Ich komme auf keinen Fall mehr zu Ihnen, ich will einen neuen Richter", empört er sich, ehe er wutentbrannt aus dem Saal stürmt.

Außergerichtlicher Tatausgleich für die Frauen

Für die drei Frauen schwebt Zwangsleitner danach ein außergerichtlicher Tatausgleich vor. Sie sollen sich mit einem Bewährungshelfer treffen und nach einem klärenden Gespräch die Hände schütteln. Das Trio ist ebenso wie der Staatsanwalt einverstanden, die Entscheidung ist rechtskräftig. Als Zwangsleitner der Drittangeklagten erklärt, dass diese Maßnahme bei M. aufgrund dessen Vorstrafen schwer möglich ist, beginnt sich auch die Drittangeklagte lautstark zu echauffieren und wirft der Richterin eine ungerechte Behandlung vor. Die Konsequenz: Auch sie muss den Saal verlassen.

Mutter und Tochter, also Zweit- und Erstangeklagte, verfolgen das Schauspiel einigermaßen eingeschüchtert. Nachdem ihnen das Prozedere des außergerichtlichen Tatausgleichs nochmals erläutert wird, gehen auch sie. "Draußen nicht mit den anderen streiten", gibt ihnen Zwangsleitner noch mit auf den Weg. (Michael Möseneder, 27.7.2020)