Nachdem Polizei und Spurensicherung einen Tatort verlassen haben, beginnt für Tatortreiniger der Arbeitstag.

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Einmal betrat sie eine Wohnung, in der die Leiche eines Mannes lag, dem der Kopf fehlte. "So etwas vergisst man nicht mehr", erzählt Rosalia Zelenka. Sie betreibt das Unternehmen Sos-Zelenka, das sich auf Tatortreinigung spezialisiert hat. Zwar kommt sie üblicherweise nicht mit Toten in Kontakt, ihr Job ist dennoch nichts für schwache Nerven – und Nasen. Spezialgebäudereinigung lautet der Überbegriff für das Metier, in dem sich Zelenka bewegt, mehr als 40 Prozent ihrer Aufträge hängen aber mit Leichenfunden und Messie-Wohnungen zusammen.

Es bleibt oft nicht bei der eigentlichen Reinigungsarbeit, die für sich schon schwer genug wäre. Ihre Mitarbeiter und sie trösten Hinterbliebene. "Die Leute kommen auf einen zu, sie stehen unter Schock und wollen reden. Das kann sehr belastend sein", sagt Zelenka. Es sei für die Menschen im ersten Moment aber eine wichtige Hilfe. Containing lautet der psychologische Fachterminus: Vereinfacht gesagt übergeben betroffene Menschen für einen Moment die eigenen Emotionen an jemand anderen und können sich vom ersten Schock erholen.

Am liebsten ist es der 58-Jährigen, wenn sie keine Hintergründe kennt. Durch jahrelange Erfahrung habe sie aber ein Auge dafür entwickelt, was sich in etwa am Tatort abgespielt hat. Sie beschreibt den Fall eines Mannes, der sich erschossen hat. Anhand der Blutspritzer zeigte sich, dass er kurz vor dem Abdrücken noch die Bilder seiner Kinder ansah. "So etwas geht nahe." Deshalb sei auch der Schutzanzug eine emotionale Stütze. "Sobald man ihn trägt, distanziert man sich automatisch vom Geschehenen." Generell sieht sie anhand ihrer Aufträge und der schwierigen Corona-Situation einen Anstieg der Suizidrate.

Ab 600 Euro aufwärts

Wer ruft in solchen Fällen an? Die Aufträge kommen von der Polizei, Hausverwaltungen, Privatpersonen, Bestattern oder Notaren. Kosten lassen sich pauschal nicht schätzen. Die Bandbreite bewege sich von 600 Euro bis hin zu 15.000 Euro.

Die gelernte Gebäudereinigerin und Desinfektorin hat sich vor rund 14 Jahren selbstständig gemacht. Tatortreinigung als solche gab es damals nicht, auch heute sind die Anbieter überschaubar. "Die Arbeit ist sowohl körperlich als auch psychisch sehr fordernd. Man hat viel mit Fäkalien zu tun." Man müsse außerdem sehr genau und ordentlich sein. Deswegen gestaltet sich die Mitarbeitersuche sehr schwierig. Den Guten zahle man meist mehr, um sie lang zu halten. Von den gereinigten Oberflächen dürfe schließlich keine Infektionsgefahr mehr ausgehen. Richtig ausspannen kann Zelenka nie. Der Betrieb ist rund um die Uhr, 365 Tage erreichbar. Und alle Anrufe landen bei Rosalia Zelenka. "Krank sein geht nicht. Ich muss aber nicht überall mithinfahren." Die Reinigung teilt sie sich mit drei weiteren Mitarbeitern auf.

"Albtraum" in Parndorf

Wer hauptberuflich mit dem Tod zu tun hat, lernt, eine gewisse Distanz aufzubauen, immer geht das nicht. Als "wahren Albtraum" beschreibt Zelenka die Flüchtlingstragödie bei Parndorf 2015, als in einem Lkw 71 Tote gefunden wurden. "Um die Toten zu identifizieren, mussten wir Kleidung, Rucksäcke, Spielzeug etc reinigen. Es war furchtbar. Die Hitze beschleunigte die Verwesung, überall waren Maden." Auf so etwas könne man sich nicht vorbereiten, doch wenigstens hätte man fast alle Toten identifizieren können.

Abgesehen von den persönlichen Schicksalen schaudert den meisten Menschen beim Gedanken an die Geruchsbelastung dieses Jobs. "Angenehm wird das nie", meint Zelenka, " aber man lernt die richtige Atmung." In ganz schlimmen Fällen kommen Gasmasken zum Einsatz. Ihr erster Fall als selbstständige Tatortreinigerin dürfte so einer gewesen sein. Ein verstorbener Messie lag so lang in seiner Wohnung, dass sich sein Körper mit dem Boden verbunden hatte.

Das perfekte Verbrechen

Herkömmliche Putzmittel bei der Tatortreinigung führen Zelenka zufolge zum olfaktorischen Super-GAU. Grund dafür sei das hinzugefügte Parfum. Sie hat gemeinsam mit einem Chemikalienproduzenten ein eigenes geruchsneutrales Mittel entwickelt, die Inhaltsstoffe bleiben aber Betriebsgeheimnis. "Eine Mischung aus Fett und Eiweiß lässt Gehirnteile so hart wie Zement werden. Das geht nicht so einfach weg."

Sos-Zelenka als Mörder zu engagieren sei jedoch weniger klug. Die Putzmittel beseitigen zwar Schmutz und Krankheitserreger, die menschliche DNA allerdings nicht. (Andreas Danzer, 28.7.2020)