Im Rahmen der aktuellen Debatten ist es unumgänglich, sich mit der Situation der Betroffenen zu befassen. Eines vorweg: Auch Polizistinnen und Polizisten haben Menschenrechte, es gilt etwa die Unschuldsvermutung, und Vorverurteilungen haben keinen Platz! Darüber hinaus ist Nicht-Polizeiangehörigen nicht bewusst, dass bei einer Beschwerde oder einem Misshandlungsvorwurf, egal ob nur behauptet oder mit möglicher Substanz, bei der internen Behandlung seitens der Dienstbehörde Maßnahmen je nach Schwere der Anschuldigung gesetzt werden, die unmittelbare Auswirkungen auf die/den beschuldigte/n Polizistin oder Polizisten haben.

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Dazu gehören zum Beispiel Versetzungen/Dienstzuteilungen, verbunden mit finanziellen Einbußen, Einleitung eines Disziplinarverfahrens, während der Dauer Hemmnisse beim beruflichen Fortkommen, Blockade bei Ernennungen, Nichtteilnahme an internen Fortbildungsmaßnahmen, Suspendierung bei gekürzten Bezügen, nachhaltige, karrierebehindernde Vermerke im Personalakt, Reputationsverlust innerhalb der Organisation, um nur einige zu nennen. Letztendlich kommt dann die Erkenntnis, dass alles korrekt abgelaufen ist und keine Dienstpflichtverletzung vorliegt. Aber was nützt es, der Schaden ist angerichtet.

Objektiv und professionell

Durch die gesetzten Maßnahmen fühlen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorverurteilt und haben das Problem, dass sie innerhalb der Organisation keine Möglichkeit haben, um sich über Abläufe, Konsequenzen, Rechtslage oder Rechtsschutz zu informieren. Vorgesetzte treten ausschließlich als Exekutoren von negativen Maßnahmen in Erscheinung.

Hier fehlt es gänzlich an einem positiven Fehlermanagement, um eine Kultur zu fördern, in der leichte Verfehlungen oder Fehler in Prozessabläufen auch zugegeben werden dürfen, ohne mit disziplinären Maßnahmen rechnen zu müssen oder dass Nachteile im Karriereverlauf eintreten. Das derzeitige System und die damit verbundene Kultur müssen objektiv und professionell ohne Befindlichkeitsstörungen nachhaltig verändert werden.

Wenn der Dienstgeber seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Dienstnehmern nachkommen und sie vor öffentlichen Angriffen schützen will, sind entsprechende Umsetzungsmaßnahmen höchst an der Zeit. Menschenrecht ist höchstes Gut, lassen wir unsere Polizistinnen und Polizisten nicht außen vor.

Hermann Greylinger, Vorsitzender FSG/Bundespolizei, stellvertretender Vorsitzender der Polizeigewerkschaft (27.7.2020)