Gähnende Leere im Herzen von St. Wolfgang zwischen Weißem Rössl und Seeterrasse. "Tourismus, wie wir ihn kannten, wird in St. Wolfgang länger nicht möglich sein", sagt Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander (ÖVP).

Foto: Stefanie Ruep

Der Empfehlung auf der Kreidetafel wird Folge geleistet: Abstand ist derzeit nicht das größte Problem in St. Wolfgang.

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Der Tourismusort am Wolfgangsee wirkt Montagmittag wie ausgestorben. "So haben Sie St. Wolfgang noch nie gesehen", sagt eine Verkäuferin an einem Souvenirstand im Ort. Nur vereinzelt gehen Menschen zu zweit oder in kleinen Gruppen durch die Seegemeinde. Trotz perfekten Sommerwetters sind sogar zu Mittag an der Seeterrasse und im Gastgarten des Weißen Rössl genügend Plätze frei.

Auch auf dem Campingplatz haben sich seit dem Wochenende die Reihen gelichtet, am Parkplatz vor dem Ortseingang sind viele Stellplätze unbesetzt. Die Gäste, die geblieben sind, scheinen die Zeit in dem idyllischen Seeort zu genießen. Ein junger Mann aus Deutschland macht ein Foto von seiner Freundin an den Aussichtsbögen bei der Kirche. Das Pärchen hat noch nicht einmal mitbekommen, dass es einen Corona-Cluster im Ort gibt: Vor ihrem Ausflug hätten sie sich nicht darüber informiert, sagen sie.

18 Betriebe betroffen

Der Cluster am Wolfgangsee zählte Montagnachmittag 62 Infizierte. Mitarbeiter aus 18 Betrieben waren betroffen. Alle Gäste, die sich in der vergangenen Woche in St. Wolfgang aufgehalten haben, werden laut der oberösterreichischen Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander (ÖVP) von den Infektionen in Kenntnis gesetzt. Besucher, die am Wochenende abreisten, mussten ein Formular ausfüllen und angeben, wohin sie fahren. Zuvor waren die Daten bereits freiwillig von den Hotels erhoben worden. Mit einer Rückkehr zum normalen Gästeaufkommen im Hochsommer rechnet die Gesundheitsreferentin jedenfalls nicht: "Tourismus, wie wir ihn kannten, wird in St. Wolfgang länger nicht möglich sein", sagte sie Montagnachmittag vor der Presse.

Aufgrund des geringen Anstiegs der Fälle am Wochenende zeigte sich Tourismusobmann Hans Wieser optimistisch, dass das Cluster eingegrenzt wurde. Bei dem kurzzeitig eingerichteten Drive-in-Teststation des Roten Kreuzes an der Ortseinfahrt standen am Wochenende Gäste, Einheimische und Tourismusmitarbeiter Schlange, um sich testen zu lassen.

Am Wochenende wurden in St. Wolfgang mehr als tausend PCR-Tests durchgeführt. Das Rote Kreuz hatte eine Drive-in-Station eröffnet.
Foto: Marion & Reinhard Hörmandinger

Am Samstag wurden 628 Tests durchgeführt, am Sonntag 419. Montag war die Station schon wieder abgebaut. Es gebe zwar noch Anfragen, die Aktion sei nun aber vorbei, sagt Wieser. Wer nun einen Test wolle, müsse die Gesundheitshotline 1450 anrufen. Die betroffenen 16 Betriebe, in denen zunächst Mitarbeiter positiv getestet wurden, seien jedenfalls durchgetestet, versichert Wieser. Laut Haberlander wurden in St. Wolfgang bisher 1.183 Tests durchgeführt.

Später am Montagabend waren dann bereits 98 Prozent der Tests ausgewertet. Nur bei 38 durchgeführten Tests waren die Ergebnisse noch ausständig. Zu den 16 betroffenen Betrieben in St. Wolfgang kamen zwei weitere hinzu, teilte der Krisenstab Oberösterreich mit. Diese würden durchgetestet, twitterte der Sprecher von Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). Außerdem sind insgesamt zwei Betriebe in Gilgen und einer in Strobl, je Bundesland Salzburg, betroffen.

Bei den Anti-Corona-Maßnahmen hat sich in der Gemeinde seit Ausbruch des Clusters nicht viel verändert. Nur die Sperrstunde der Lokale wurde auf 23 Uhr vorverlegt. Die Maskenpflicht in der Gastronomie gilt wie in ganz Oberösterreich hier schon seit 9. Juli wieder. Am Montag zogen dann auch die Nachbargemeinden auf der Salzburger Seite des Sees nach. In Strobl und St. Gilgen müssen ab Mitternacht wieder alle Tourismusmitarbeiter mit Gästekontakt verpflichtend einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Die Verordnung wurde von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung erlassen und gilt vorerst bis Ende August, sagte ein Sprecher von Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP).

Sprechverbot vom Reiseleiter

Die Masken sind auch aus dem Ortsbild von St. Wolfgang nicht wegzudenken. Alle Mitarbeiter tragen sie, bei den Gästen und Besuchern baumeln sie an den Handgelenken oder sitzen im Gesicht. Bei drei deutschen Touristinnen, die es sich auf einer Parkbank mit Seeblick gemütlich gemacht haben, hängen die Masken an den Handtaschen. Sie wollen nicht mit Journalisten reden. "Wir können nicht mit Ihnen reden, das ist die strikte Anweisung vom Reiseleiter. Denn wir müssen Abstand halten wegen Corona", sagt eine der älteren Damen, während das Schiff der Wolfgangseeschifffahrt vorbeifährt – an Deck gerade einmal vier Passagiere.

Ein Lockdown oder Betriebsschließungen seien in St. Wolfgang kein Thema, sagt Tourismusobmann Wieser. Auch Gesundheitslandesrätin Haberlander hält das nicht für nötig. Aus dem Gesundheitsministerium heißt es, das hänge von der Einschätzung der lokalen Behörden ab. Betriebsschließungen seien erst gerechtfertigt, wenn durch das Kontaktpersonenmanagement die Infektionskette nicht eingegrenzt werden kann.

Zwei Wochen Schließung

Ein Kellner mit einem Gesichtsvisier, der vor dem leeren Gastgarten im Schatten steht, sieht das anders. "Eigentlich müsste man alles 14 Tage lang zusperren", sagt er zum STANDARD. Aber das dürfe man hier nicht laut sagen. Seit zwei Stunden stehe er nun schon hier, er habe keinen einzigen Mittags-Gast. Die Belegschaft des Restaurants soll diese Woche noch komplett getestet werden. Am Samstag fährt der Aushilfskellner dann frühzeitig zurück nach Hause. Dort werde er sich freiwillig noch eine Woche in Heimquarantäne begeben. "Sicher ist sicher", sagt er. Laut Gesundheitsreferentin Haberlander werden alle Mitarbeiter in den betroffenen Betrieben in den nächsten sieben Tagen erneut getestet.

Mediziner sieht richtigen Weg in Umgang mit Cluster

Tilman Königswieser ist der ärztliche Direktor des Salzkammergut-Klinikums und Mitglied des Corona-Krisenstabs in Oberösterreich. Er spricht in der "ZiB 2" vom Montag über den aktuellen Erkenntnisstand hinsichtlich des entdeckten Clusters in St. Wolfgang.
ORF

Tilman Königswieser, ärztlicher Leiter des Salzkammergut-Klinikums und Mitglied des Krisenstabs in Oberösterreich, sieht den Cluster in St. Wolfgang relativ gelassen, man habe im Umgang damit den richtigen Weg eingeschlagen. Man könne St. Wolfgang nicht mit Ischgl vergleichen, so Königswieser in der "ZiB 2" am Montag. Im Tiroler Skiort hatte ein Cluster im März ja für das Ende der Skisaison sowie weitreichende Maßnahmen gereicht. Damals habe man keinerlei Erfahrung mit dem Virus gehabt, sagte der Mediziner.

Der jüngste Cluster in St. Wolfgang sei jedenfalls gut unter Kontrolle. Auch wenn er auf 100 Menschen anwachsen würde, wäre das laut Königswieser noch kein Grund zur Nervosität. Wenn sich die Menschen an die Hygienemaßnahmen halten – also Händewaschen, Abstand und Maske –, könne sich das Virus kaum ausbreiten. Contact-Tracing helfe dabei, auch asymptomatische Fälle zu entdecken.

Die "Kleine Zeitung" berichtete am Montag indes von einem neuen Cluster in Wald am Schoberpass in der Steiermark. Elf Personen seien positiv getestet worden, 39 Kontaktpersonen seien abgesondert worden. (Stefanie Ruep, Markus Rohrhofer, red, 28.7.2020)