Minecraft war das Erste. Dann kamen The Long Dark, Darkest Dungeon, Dead Cells, Kerbal Space Program, PUBG, Subnautica, Slay the Spire, Rimworld, Factorio, Hades und tausende andere von Millionen Spieler*innen inzwischen heiß verehrte Spiele. Sie alle haben eines gemeinsam: Man konnte sie schon spielen, bevor sie fertig waren. Early Access ist – im Großen und Ganzen – ein Erfolgsmodell, das für Spieler*innen und Entwicklerstudios viele Vorteile mit sich bringt.

Dass mit dem Geschäft mit dem Vertrauensvorschuss auch oft Schindluder getrieben wird, ist allerdings ebenso Fakt. Die folgenden Early-Access-Titel sind aber jetzt schon ihr Geld wert; einfach weil sie auch im unfertigen Zustand schon stundenlangen Spaß bereiten. Ein frühsommerlicher Rundgang zu den zehn schönsten Games-Baustellen.

Coffee Stain

Satisfactory

Ist es so simpel? Das große Factorio hat industrielle Fabriksfertigung zum Spielspaß gemacht, Satisfactory (Windows, 29,99 Euro) verlegt das Konzept in schickes 3D und spendiert eine recht große (aber bis auf Ressourcen und Monster eher leere) Open World als Expeditionsraum rundherum gleich dazu. Nein, so simpel ist es nicht: Satisfactory ist trotz aller naheliegenden Vergleiche durchaus eigenständig, und die dritte Dimension, das vertikale Bauen, Topografie und eine Vielzahl an eigenen Ideen lassen den sehr naheliegenden Dauervergleich zur 2D-Inspiration schnell vergessen. Bis man im Endgame angelangt ist, dem es aktuell zugegebenermaßen noch an Inhalt fehlt, ist jede Stunde mit diesem nur auf den ersten Blick abgeschauten Spiel ein Aha-Erlebnis für Factorio-Fans und Neueinsteiger.

GameSpot Trailers

Among Trees

Müssen Survival-Sandboxen immer grimmig und tödlich sein? Among Trees (Windows, 15,99 Euro) beweist, dass relativ friedliches Spazierengehen, Sammeln und Hüttchenbauen im wunderbar atmosphärischen Low-Poly-Wald auch für friedliebende Menschen eine schöne Beschäftigung sein darstellen können. Bis aus der verfallenen Hütte im Waldidyll eine herzeigbare Bleibe geworden ist, müssen viele Pilze gesammelt, Stöckchen getragen und Screenshots zur Erinnerung an dieses virtuelle Naturerlebnis geschossen werden. Nur den Bären sollte man aus dem Weg gehen – oder man sorgt per Aktivieren des Zen-Modus dafür, dass auch diese Gefahr verschwindet. Among Trees ist The Long Dark für Harmoniesüchtige.

HypeTrain Digital

Stoneshard

Ein klassisches Top-down-Hardcore-Rollenspiel mit hinreißend nostalgischer 16-Bit-Grafik, modernen Bedienungsannehmlichkeiten und dem grausamen Herz eines Rogue-likes – das bietet Stoneshard (Windows, Mac, 14,99 Euro). Der russische EA-Überraschungserfolg dieses Frühjahrs ist bei weitem noch nicht so fertig, wie der kostenlos verfügbare Prolog glauben macht, doch das Potenzial dieses trügerisch kleinen Spiels ist gewaltig. An dieser Baustelle wird noch heftig geschraubt und gehämmert, die Community ist aber nach den ersten arbeitsamen Entwicklungsmonaten vom Potenzial dieses Rohdiamanten fest überzeugt – das weithin kritisierte Save-System etwa wurde bereits entschärft. Ein ziemlich faszinierendes Spiel für ein spezielles Publikum mit Sinn für Härte.

Focus Home Interactive

Curse of the Dead Gods

Von tollen Vorbildern darf man klauen, vor allem, wenn man's gut macht: Curse of the Dead Gods (Windows, 14,99 Euro) ist ein stylisches Rogue-Lite, das sich sichtlich am großartigen, ebenfalls noch die letzten Meter im Early Access zurücklegenden Instant-Klassikers Hades orientiert; nur dass hier nicht die griechische, sondern eine mittelamerikanische Mythologie und Ästhetik die sich ständig wandelnden Tempelruinen schmückt. Sehr stylische Cartoon-Grafik, die sich an der markanten Comic-Optik von Darkest Dungeon orientiert, und eine Handvoll von ebendiesem Rollenspielklassiker entlehnter origineller Spielmechaniken wie Flüche und Opfer macht Curse of the Dead Gods in Verbindung mit dem solidem Action-Gameplay zum schon jetzt hochmotivierenden Sommerspaß.

3D Realms

Wrath: Aeon of Ruin

Nostalgie ist schön und gut, der Wiederbesuch alter Favoriten endet aber oft in Ernüchterung: DAS hab ich damals so geliebt? Umso besser, wenn neue Spiele Ästhetik und Kern alter Klassiker wiederbeleben und dabei dann doch ein wenig auf moderne Geschmäcker und Bequemlichkeiten Rücksicht nehmen. Wrath: Aeon of Ruin (Windows, 20,99 Euro) ist so, wie First-Person-Veteranen den großen 90er-Jahre-Klassiker Quake in Erinnerung haben: rasant, roh, abwechslungsreich und ohne Schnickschnack. Die Shooter-Urväter von 3D Realms haben den klassisch-splatterigen Horror-Shooter unter ihre Fittiche genommen. Wrath ist Retro-Action für ein modernes Publikum.

Nolla Games

Noita

Noita (Windows, 16,99 Euro) ist finnisch und bedeutet "Hexe", und der Pitch des Spiels erinnert wirklich ein wenig an Hexerei: Jeder Pixel ist hier simuliert und physikalischen Gesetzen unterworfen, das bedeutet: Wasser schwappt und verdampft, wenn es erhitzt wird, Holz brennt und stürzt nach Schäden krachend zusammen, und mit offenem Licht sollte man in Sümpfen mit brennbaren Gasen seeehr vorsichtig hantieren. Das Pixelspiel mit Rogue-lite-Mechaniken – Permadeath, Zufallsgenerierung, abwechslungsreiche Items/Zaubersprüche – ist noch ein bisschen mehr Physik-Spielplatz als fertiges Spiel, aber das ist völlig egal, wenn diese Physik so viel Spaß macht.

PlayscopeTrailers

Mount & Blade 2: Bannerlord

Teil eins war eines der aller-, allerersten Early-Access-Spiele, der heiß ersehnte Nachfolger beschäftigt auch unfertig schon unzählige Mittelalterenthusiasten. Das "Pirates! im Mittelalter" bietet aber auch viel zu tun: Lebenssimulation, Reiterschlachten, Burgbelagerungen, Multiplayer, Endloskampagnen, eine richtiggehende Geschichtenmaschine. Das Mammutspiel Mount & Blade 2: Bannerlord (Windows, 49,99 Euro) ist in vielen, vielen Details und der Balance noch längst nicht perfekt, wer weiß, worauf er sich einlässt, darf aber endlich mit zeitgemäßer Grafik wieder in diese fiktive Mittelalterwelt eintauchen. Hier warten hunderte Spielstunden – wer diese Großbaustelle betritt, muss aber bereit sein, deren Unfertigkeit hinzunehmen.

IGN

GTFO

Koop-Horror-Shooter gibt es so einige, GTFO (Windows, 34,99 Euro) darf sich rühmen, in Zeiten von möglichst großer Zugänglichkeit zu den härtesten zu zählen: Die originelle Mischung aus Stealth- und Shooter-Gameplay wird vor allem wegen ihrer Unbarmherzigkeit zur Feuertaufe für bis zu vier adrenalingebeutelte Spieler*innen, die in finsteren Monsterkellern nur ja möglichst leise mitten unter unsagbar ekelhaften Viechern allerhand zu erledigen haben. Kommunikation per Headset ist Pflicht, und im Bestfall kennt man die Mitspieler*innen schon von vorher, denn Kinkerlitzchen wie Serverbrowser oder Matchmaking gibt es noch nicht. Der Discord-Channel zum Spiel ist – vermutlich auch deswegen – ein recht freundlicher Ort, an dem man im Notfall Koop-Buddies suchen kann.

Bugbyte Ltd.

Space Haven

Das Wuselaufbau-Gameplay von Spielen wie Rimworld, ein Hauch Factorio und rundum eine Kampagne wie im großen FTL – Faster Than Light: Dass keiner zuvor auf diese Mischung gekommen ist, ist nach kurzer Einarbeitung in diese Indie-Hoffnung eigentlich ziemlich überraschend. Gut, es fehlt Space Haven (Windows, Mac, Linux, 21,99 Euro) noch an einem intuitiveren Tutorial, der Kampf ist noch ausbaufähig, und die KI schwächelt in Sachen Jobmanagement, doch das Potenzial für schier endlose Weltraumabenteuer im selbstgebauten Raumschiff hat auf Steam schon für einen Überraschungsverkaufserfolg gereicht – zu Recht. Energie!

MMO Culture

Gunfire Reborn

Originalität ist nicht alles, ein gutes Spiel darf auch durch Perfektion altbewährter Ideen glänzen – wie dieser chinesische Koop-Loot-Shooter mit Rogue-lite-Mechaniken. Als anthropomorphes Fantasy-Tier steigt man hier wieder und wieder allein oder mit Freunden in monsterverseuchte Gruften, stellt sich pro Run Fähigkeiten und Waffen zusammen und erspielt sich beharrlich auch durch unweigerliche Niederlagen mehr und mehr Skills für den nächsten Versuch. Solides Gunplay, ausreichend Abwechslung und sympathischer Style machen Gunfire Reborn (Windows, 9,99 Euro) zur bereits jetzt hervorragenden Mischung aus altbekannten Games-Lieblingen – eine trügerisch kleine, verflixt schnell süchtig machende Shooter-Rollenspiel-Perle. (Rainer Sigl, 2.8.2020)