Haushaltskommissar Johannes Hahn im EU-Parlament: Auch wenn Teile seines Wiederaufbauplans gekürzt wurden, ist er zufrieden. Es komme nun sehr auf die Umsetzung an.
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Nur eine Woche nach dem von den Staats- und Regierungschefs sehr hart ausgekämpften Deal zum langfristigen EU-Budgetrahmen bis 2027 und zum neuen Wiederaufbaufonds geht der Umsetzungsprozess in die entscheidende Phase. Diese Woche übermittelt der Rat der Mitgliedsstaaten unter deutschem Vorsitz einen juristisch und formell im Detail ausgefeilten Vorschlag an das Europäische Parlament. Dieses muss allen Budgetbeschlüssen zustimmen. Sonst kann das mit 1074 Milliarden Euro dotierte reguläre Budget mitsamt dem 750 Milliarden Euro schweren Corona-Fonds nicht nach Plan am 1. Jänner 2021 in Kraft treten.

Die Mehrheit der EU-Abgeordneten verlangt mit Nachdruck Abänderungen. Trotz Sommerpause soll es im August Gespräche geben: "Es ist gut, dass es das Paket gibt, auch dass die Finanzierung des Wiederaufbaufonds über die Märkte, also ohne Erhöhung der nationalen EU-Beiträge, geschieht", erklärt der Chef der SPÖ-Delegation, Andreas Schieder, dazu. Aber man habe Budget ansätze "bei Forschung und Gesundheit gekürzt. "Da braucht es Nachbesserung, auch bei der Rechtsstaatlichkeit". Diese Haltung zieht sich durch fast alle Fraktionen. Nur die extrem Rechten lehnen den Ratsvorschlag total ab.

Nachbesserungen könnten über das reguläre Budget erfolgen, wenn das gelinge, wäre er für eine Abstimmung im Plenum schon Mitte September, sagt Schieder. Ein solches Szenario wäre für den zuständigen Haushaltskommissar Johannes Hahn "ideal", wie er vor Journalisten in Brüssel erläuterte. Denn nach einem Beschluss im EU-Parlament muss das Budgetpaket auch noch zur Ratifizierung durch die nationalen Parlamente – in 23 von insgesamt 27 EU-Staaten. Das in nur drei Monaten über die Bühne zu bringen wird gar nicht so einfach sein.

Nationale Parlamente

Der Grund: Zur Finanzierung des Wiederaufbaufonds muss sich die EU als Institution in hohem Ausmaß verschulden. Das wird geschehen, indem die Kommission Anleihen auf den Märkten begibt. Damit sie das darf, müssen eben auch die nationalen Parlamente den "Eigenmittelbeschluss" der Regierungschefs bestätigen, wie in den EU-Verträgen vorgesehen ist: "Sonst kann ich am 1. Jänner nicht einen Euro aufnehmen", sagt Hahn.

390 von 750 Milliarden Euro sollen als nicht rückzahlbare Zuschüsse an Staaten vergeben werden, 360 Milliarden in Form von Krediten. Die Kommission muss die Tilgung dieser Schulden ab 2028 über Eigenmittel bestreiten. Das soll in Form von EU-weiten Abgaben und Steuern auf Plastik, im Digitalgeschäft oder bei klimaschutzbezogenen Maßnahmen aufgebracht werden.

Das alles erklärt, warum Hahn optimistisch ist, was eine baldige Zustimmung des EU-Parlaments betrifft – und warum auch er mit den Ergebnissen des Gipfels zufrieden ist, obwohl einige Vorschläge kräftig zusammengestrichen wurden, etwa bei der Forschung. Er verweist darauf, dass "wir als gewiefte Verhandler natürlich hoch angetragen" haben. So seien 2018 für das Forschungsprogramm Horizon 65,5 Milliarden Euro vorgesehen gewesen. Trotz der Streichungen der Regierungschefs "werden es jetzt 80,9 Milliarden Euro sein. Das ist eine Steigerung von gut 20 Prozent."

Gewinner Deutschland

Hahn bedauert dennoch, dass es da und dort "an europäischem Geist gefehlt" habe, neue Projekte und Fonds zu beschließen. So seien zusätzliche Mittel für "Invest-EU" von 60 auf 20 Milliarden reduziert und ein neuer Fonds zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung von Unternehmen gestrichen worden.

Aber "die Architektur" des Budget-Wiederaufbau-Konzepts sei am Ende erhalten geblieben. Hahn: "Wir haben 1850 Milliarden Euro vorgeschlagen, geblieben sind 1824 Milliarden." Oder in der Streitfrage Zuschüsse oder Kredite: "Es gab Verschiebungen, wir haben 500 Milliarden Euro an Zuschüssen vorgeschlagen, 390 Milliarden sind geblieben, das sind 79 Prozent." Besonders erfreulich findet der Haushaltskommissar, wenn in Zukunft 30 Prozent aller Mittel dem Klimaschutz gewidmet sein müssen: "Das sind schlanke 600 Milliarden Euro."

Beurteilung frühestens 2022

Wie die genaue Verteilung der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds sein wird, darauf lässt sich der Kommissar nicht ein. Da beim Gipfel die Konditionalitäten zum Bezug von Zuschüssen geändert wurden, nicht mehr die Arbeitslosigkeit ab 2015 ein Hauptkriterium sei, sondern ab 2023 der reale Einbruch der Wirtschaften, sei klar, dass Deutschland und Frankreich zu den größten Gewinnern gehören werden. Beurteilen lasse sich das aber frühestens 2022, wenn klar wird, wie es in der Corona-Krise weitergehe.

Geteilt ist die Meinung der Österreicher zum Ergebnis. In einer Umfrage der Gesellschaft für Europapolitik sagten 45 Prozent der Befragten, dass beim Gipfel eine gute Entscheidung getroffen wurde. 21 Prozent fanden sie schlecht. Ein Drittel der Befragten gab an, dazu keine Meinung zu haben. (Thomas Mayer aus Brüssel, 28.7.2020)