Prachtvolles Wirtshaus, zauberhafter Arkadenhof, jetzt auch grandioses Essen: Der Rahofer in Kronstorf erfindet sich neu.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Florian Gintenreiter ist nicht nur ein toller, junger Koch, er hat auch Mut – und ein Händchen für richtig gute Arbeitgeber. Zuletzt war der Mann Sous-Chef bei Philip Rachinger im Mühltalhof, unschwer die geilste Adresse für zeitgemäße Hochküche in intimem, geradezu familiärem Rahmen.

Davor war er jahrelang in Paris – und zwar nicht irgendwo, sondern erst im legendären Saturne, dann als Sous-Chef (!) im gehypten Edel-Weinbistro Vantre von Eric-Fréchon-Sommelier Marco Pelletier. Den Mut, sich in der Welthauptstadt des guten Essens als Koch zu verdingen und hochzuarbeiten – und das Hirn im Gegenzug richtig weit aufgerissen zu bekommen –, hat bei uns noch immer kaum ein Koch.

Man muss aber sagen, dass Florian sich nicht allein in die Höhle des Löwen getraut hat: Lebensgefährtin und Co-Köchin Carina Kaiser war an beiden Adressen mit in der Küche, sie war es auch, die die Rutsche zum Rahofer gelegt hat.

Die Tochter des Hauses, Marie, ist eine Kindheitsfreundin. Jetzt hat sie gemeinsam mit Carina die Leitung des Traditionsbetriebs übernommen, wobei Letztere in der Hauptsache den Service schupft. Fürs Brot und die Desserts (und was für welche!) aber hat sie sich einen Platz in der Küche reserviert.

Die Speisekarte gibt sich nur scheinbar streichelweich, auf den ersten Blick würde man kaum eine Veränderung zur gutbürgerlichen Küche Rudolf Rahofers erwarten, der das Haus seit 1979 bekochte: Rindfleischsalat mit Bohnen und Kren, Blunze mit Sauerkraut, geschmorte Lammstelze mit Karfiol und Paprika – einzig der Verzicht auf die hierorts sonst unvermeidliche Sättigungsbeilage verrät, dass der Koch in der Welt herumgekommen ist.

Dass alles mit Finesse und Herz gekocht wird (und die Portionen dennoch wirtshausmäßig groß sind) merkt man erst, wenn die Teller am Tisch stehen. Wobei: Der Gruß aus der Küche, ein kraftvoll gegrillter, innen herrlich glasiger Forellenbauch mit Miso und Schnittlauch, zeigt schon deutlich, wohin die Reise geht.

Das erschließt sich aber nur jenen, die sich in Gintenreiters Hände begeben und das Menü ordern. Erst da zeigt er, was alles geht. Eine dicke Scheibe von der Ochsenherztomate etwa gart er über Stunden sous-vide bei 65° C, worauf sich die Konsistenz kaum verändert, das Aroma aber ganz wunderbar konzentriert wird. Dazu gibt es Ziegenfrischkäse, eine herrlich milde Vinaigrette aus roter Zwiebel und Kapuzinerkresse: scheinbar simpel, gleichzeitig aber sehr animierend, pur und zart – ein grandioser erster Gang.

Bries und Ochsenmark mit betörend geschmorter Melanzani ist der Gang des Tages.
Foto: Gerhard Wasserbauer

In Salzteig gegarter Fenchel, am Teller wie eine Rose entblättert, mit altem Comté beschneit und mit einer Salsa aus Fischfond, Buttermilch, Schnittlauch begossen, ist fantastisch aromatische, federleichte Küche. Dazu kullert Forellenkaviar wie ein Haufen funkelnder Juwelen darin – schmeckt herrlich, ist alles andere als Pinzettenküche – und gerade deshalb so entzückend anzusehen.

So lässig

Bries und Ochsenmark mit betörend geschmorter Melanzani ist dann der Gang des Tages, fantastisch zart gewebt, mit hochreifen Ribiseln und knackigem Spinat als Säure- und Konsistenzkontrast – so lässig würden viele Große im Land nur zu gern kochen können (siehe Bild). So geht es geschmackssicher und ohne Verspieltheiten dahin, ein Gang besser als der andere.

Bis zu den Desserts, die sind noch einmal eine Klasse für sich. Ob Crème glacée vom Feigenblatt mit Hollerblüten-Granita und grünen Erdbeeren oder herrlich luftige Schokomousse mit Tonkabohne und geröstetem Buchweizen: So leicht, so verführerisch, so ungekünstelt hochklassig war schon lang kein Nachtisch im Land! (Severin Corti, RONDO, 31.7.2020)

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