Helmut Brandstätter, Abgeordneter der Neos, und Kanzler Sebastian Kurz beim Ibiza-Untersuchungsausschuss am 24. Juni.

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Wien – Parteipolitische Besetzungen bei Medien, vor allem beim öffentlich-rechtlichen ORF, beschäftigten den Ibiza-Untersuchungsausschuss im Juni, als sich Kanzler Sebastian Kurz den Abgeordnetenfragen stellte. Das inzwischen auch offiziell veröffentlichte Protokoll bietet durchaus denkwürdigen Nachlesestoff.

Könne Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ausschließen, dass sein Umfeld insbesondere im ORF "missliebige Journalisten entfernt und durch andere ersetzt"?, fragte SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer im Juni im Untersuchungsausschuss. "Definitiv" schloss Kurz aus, dass er "Journalisten entferne". Dass sein Umfeld "unleidliche Journalisten entfernt" habe, konnte er sich im Ausschuss "nicht vorstellen".

Helmut Brandstätter, Abgeordneter der Neos, bezichtigte Kurz in dem Zusammenhang mehrfach der "Unwahrheit". Nach Brandstätters Darstellung wurde er auf Druck von Kurz 2018 vorzeitig als Kurier-Chefredakteur abgelöst. Brandstätter im Ausschuss: "Weil Sie zuerst behauptet haben, Sie hätten nie dafür gesorgt, dass irgendwo jemand entfernt wird, darf ich Sie fragen, wie oft Sie mit Herrn Hameseder darüber geredet haben, dass sich im Kurier etwas verändern muss. Wie oft und wann?" Raiffeisen-Manager Erwin Hameseder ist Eigentümervertreter und Aufsichtsratspräsident beim Kurier.

"Ob ich was werden will"

"Der Kurier ist nicht Untersuchungsgegenstand", ging da Verfahrensanwalt Andreas Joklik dazwischen. Der Ausschuss behandle "Postenschacher in staatsnahen Unternehmen". Brandstätter: "Er hat es als staatsnahen Betrieb behandelt, deswegen meine Frage."

DER STANDARD fragte Hameseder, ob es Interventionen, etwa gegen Brandstätter oder für andere Umbesetzungen beim Kurier, von Sebastian Kurz oder aus dessen Umfeld gegeben habe. Hameseder lässt ausrichten: "Definitiv nicht." Er habe "dazu keine Wahrnehmung bis heute und auch nichts bei anderen Aufsichtsratsmitgliedern mitbekommen".

Kurz erklärte, er hatte bei Brandstätter als Kurier-Chefredakteur "das Gefühl (...), dass Sie nicht sonderlich objektiv waren, aber das ist ja eine persönliche Meinung, die man wohl haben darf".

Im Ausschuss erklärte Verfahrensanwalt Joklik, dass der Vorwurf der Unwahrheit Klagen wegen Ehrverletzung und Kreditschädigung nach sich ziehen könnte. Brandstätter hatte schon zuvor erklärt, Kurz könne ihn deshalb klagen: "Wenn er will, können wir das vor Gericht austragen." Bisher ist nach Auskunft Brandstätters keine Klage dazu bei ihm eingelangt.

Zum ORF fragte Brandstätter Kurz im Ausschuss etwa: "Haben Sie irgendwelchen Leuten Jobs im ORF angeboten, gefragt, ob sie sich dafür interessieren, oder so etwas?" Kurz: "Es gibt immer wieder Personen, von denen es Gerüchte gibt, dass sie sich für Jobs im ORF interessieren, zum Beispiel Sie selbst. Es gab immer wieder das Gerücht, dass Sie gerne ORF-Generaldirektor werden wollen würden, es gab immer wieder das Gerücht, dass Werner Faymann Ihnen das versprochen hätte." Und "dass Sie mir nicht böse sein sollen, weil Sie das nicht sind".

"Ist auch weiterhin so"

Brandstätter schildert das Gespräch anders: "Sie haben mich gefragt, ob ich etwas werden will, und ich habe darauf gesagt: Nein, das interessiert mich nicht! (...) Mich wundert nur, dass Sie jemanden gefragt haben, von dem Sie jetzt behaupten, dass er gegen Sie geschrieben hat. Das passt ja alles nicht zusammen."

Personalentscheidungen treffe der ORF-Stiftungsrat, sagte Kurz. "Dass die Stiftungsräte, die sogenannten Freundeskreise, ein Naheverhältnis zu den Parteien haben, das ist, glaube ich, allgemein bekannt, und dass es hier auch einen Austausch zwischen den Parteien und den Stiftungsräten gibt, das ist, glaube ich, auch bekannt. Das ist kein ideales System, aber ich habe das System nicht erfunden, und ich fühle mich für dieses System auch nicht verantwortlich. Ich glaube, in diesem Zusammenhang kann es sein – und das wird der Grund dafür sein, dass immer wieder Personen auch bei der Politik aufschlagen und sagen, sie würden sich für dies und jenes interessieren –, dass Gespräche entstehen; so wie unseres, das wir anscheinend unterschiedlich interpretiert haben."

Kurz über das nicht ideale "System": "Es war immer so, und solange es nicht geändert wird, ist es auch weiterhin so." (fid, 30.7.2020)