Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell kritisiert in seinem Gastkommentar die aufgeblähten PR- und Werbeabteilungen der Regierung und er fordert eine mutigere Medienpolitik ein.

In Interviews – zuletzt im Profil (19. 7. 2020) – bezeichnet sich der für Medienpolitik von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) beauftragte Gerald Fleischmann als ehemaliger Linker, der mit zunehmendem Alter zum Konservativen geworden sei. Leider verbirgt er in den bisher publizierten Gesprächen, was er unter konservativer Medienpolitik konkret versteht. Der Erhalt des Bestehenden alleine wird es nicht sein. Denn um als richtig erkanntes Altes zu sichern oder wieder hervorzubringen, braucht es allemal neue Maßnahmen.

Wer zum Beispiel, wie die Regierungen Kurz I und Kurz II, den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und Werbung für das Regierungsteam und seine Arbeit extrem ausweitet, erhält zumindest kurzzeitig ein besseres Image bei Teilen der Bevölkerung. Aber weil Systeme zusammenhängen, hat es weitere Folgen. Es führt demokratiepolitisch zu höchst bedenklichen Situationen. Die Opposition kann sich unvergleichlich weniger Gehör in der Öffentlichkeit verschaffen, da sie nicht wie die Regierung auf Ressourcen zugreifen kann. Die Regierung kann also die Kritik der Opposition an Regierungsvorhaben locker ignorieren, da mit hoher Wahrscheinlichkeit deren Darstellung bei weniger Menschen ankommt als jene der Regierung. Schlecht gemachte Gesetze sind eine der Folgen – mit Schaden für davon betroffene Menschen.

Was er unter konservativer Medienpolitik versteht, bleibt verborgen: Gerald Fleischmann, Medienbeauftragter von Kanzler Sebastian Kurz.
Foto: Corn

Gebt der Opposition auch den Zugang zu diesen öffentlich finanzierten Ressourcen für regierungskritische PR und Propaganda! Das kann – zunächst – nicht die Antwort sein. Wo käme dabei der Journalismus hin, der schon jetzt wegen zu viel PR Atemprobleme hat. Die richtige Antwort lautet: Es ist die Regierungs-PR gesetzlich zu limitieren. Mit maximal einem Viertel der derzeit eingesetzten Ressourcen sollte ein ordentlicher Service für den Journalismus und eine direkte Kommunikation mit der Bevölkerung zu leisten sein.

Die liberale Demokratie verspricht, dass sich die besseren Argumente und Konzepte auf Basis eines gesellschaftlichen Konsenses durchsetzen. Jetzt hat man öfters den Eindruck, dass mittels PR und Werbung Inszenierungen geschaffen werden, die den Blick auf die realen politischen Entscheidungen verstellen. Wer mehr Sachpolitik will, muss ein faires Kräftespiel zwischen Regierung und Opposition schaffen. Also sollten die gleichen Ressourcen für PR und Werbung – doch – auch der parlamentarischen Opposition zustehen. Diese demokratiepolitische Maßnahme – weniger Selbstdarstellungsgeld für die Regierung und vergleichbare Ressourcen für die Opposition – wäre auch eine medienpolitische. Die Regierungs-PR würde den Journalismus nicht weiter so stark beeinflussen, und die Opposition bekäme ähnlich stark Gehör.

Branchenriesen und die Kleinen

Die schwer angeschlagenen Medienbetriebe bekommen heuer rund 45 Millionen Euro Sonderförderung, bilanzierte der für Medienpolitik beauftragte Fleischmann kürzlich im Profil-Interview. Das klingt nicht nach dem sonst für die Rettung der Wirtschaft in der Corona-Krise versprochenen Prinzip "Koste es, was es wolle!". Die Kritik daran war und ist vielfältig: Die Branchenriesen, allen voran Boulevardmedien, bekommen das meiste, wenig bis gar nichts indes kleine Medien. Das fördert weniger den Erhalt der mäßig ausgeprägten Angebotsvielfalt als faktisch die Medienkonzentration. Erst zum Schluss kommt die Regierung nun auch auf die Idee, Digitalmedien auch stützen zu sollen. Dabei hat es derzeit den Anschein, dass innovative (oder sind es der Regierung nur lästige?) neue Anbieter wie Zackzack.at ohne Förderung bleiben sollen. So weit, so schlecht.

Die ganz großen Herausforderungen im Digitalbereich werden indes hierzulande zwar in akademischen Kreisen, nicht aber in der Regierung debattiert. Freilich will man nach mehr als einem Jahrzehnt der Knebelung des ORF im digitalen Sektor, diesem endlich mehr Freiraum gewähren. Es ist ein Gesetzesentwurf für Ende des Jahres avisiert. Aber der große Wurf dürfte es nicht werden, eher der minimale Konsens. Österreich wird in der Sackgasse der Medieninnovation weiterwurschteln, mit einem verordneten Schulterschluss im digitalen Vermarktungsbereich zwischen öffentlich-rechtlichem ORF und privatwirtschaftlichen Rundfunkanbietern. Das duale System kann man so sehenden Auges ruinieren. Die Medienkonzentration wird weiter steigen und die Kritik zwischen den noch stärker verflochtenen Medien abnehmen.

Europäische Antwort

Dabei bräuchte es eine europäische Antwort auf die amerikanisch und chinesisch dominierten Digitalgiganten. Warum lässt man nicht die öffentlich-rechtlichen Medienbetriebe in Europa einen neuen digitalen Raum schaffen, der demokratiestützende transparente Algorithmen einsetzt und die persönlichen Daten der Nutzer schützt? An verschiedenen Orten werden gerade Modelle eines EPOS, eines European Public Open Space, diskutiert. Im Gesetz steht immer noch, dass der ORF keine Digitalplattformen und -netzwerke (mit)betreiben darf. Die privatwirtschaftliche Medienkonkurrenz dürfte es. Sie tut es nicht, beklagt sich aber zu Recht bitter über den Werbegeldabfluss an die amerikanischen digitalen Netzwerke.

Warum haben die privaten Medienkonzerne sich damit begnügt, durch Lobbying den Rahmen für die nichtkommerzielle Konkurrenz im digitalen Entwicklungsbereich so eng wie möglich zu halten? Das wurde für alle zur fatalen Sackgasse. (Fritz Hausjell, 30.7.2020)