Man kann die Szenerie hier getrost als kitschig bezeichnen. Die blauen und weißen Krempen der Sonnenschirme flattern im Wind, die Alte Donau plätschert nur wenige Meter entfernt, die Wasseroberfläche ist voller Tretboote. Selbst die Aussicht auf die Skyline der Donau-City passt ins Bild, macht sie doch einmal mehr bewusst, dass man mitten in Wien – und dennoch fern des städtischen Trubels ist.

Mehr als 2.000 Gastro-Gutscheine wurden im Strandcafé Alte Donau bisher eingelöst.
Foto: Christian Fischer

Unten am Floß des Strandcafés an der Alten Donau bereiten sich die Kellner an diesem bisher heißesten Tag des Jahres auf den Gästeansturm vor, Besteck wird poliert und Mobiliar zurechtgerückt. Um 17 Uhr wird auch das Floß geöffnet, oben im Gastgarten werden ohnehin schon seit Stunden Bretter voller Ripperln an die Tische gebracht.

Das Strandcafé rühmt sich in Presseaussendungen mit seinem Umsatz, auch andere Unternehmen in der Umgebung freuen sich über viel Kundschaft. Grund genug, einen Blick dahin zu werfen, wo die Welt – oder zumindest Wien – langsam wieder so wird, wie man sie einst kannte.

Der Ort, an dem die Wienerinnen und Wiener auf Stadtkosten essen

Bisher sei man ganz gut durch die Krise gekommen, ist von Kellnern des Strandcafés zu hören. Man habe sich überhaupt zum "Gastro-Hotspot" der Stadt entwickelt, heißt es seitens der Betreiber. Das lasse sich auch an der Anzahl der Gastro-Gutscheine ablesen, die hier bereits eingelöst wurden: 2.000 Stück im Wert von 100.000 Euro laut dem Unternehmen. Wegen der Gutscheine und der darauf stehenden Postleitzahlen wisse man auch, dass viele Leute aus anderen Bezirken hierherkommen, sagt der Oberkellner. Viele machen jetzt, wo eine etwaige Auslandsreise gecancelt wurde, Urlaub in Wien. Sie gleichen damit sogar fast die großen Touristengruppen aus dem Ausland aus, sagt er – die würden nämlich noch ausbleiben.

Corona-bedingt sind die Tische derzeit etwas weniger als sonst, insgesamt sind es trotzdem noch viele, draußen und drinnen etwa 800. Das hat in der Vergangenheit unter anderem dafür gesorgt, dass es zu Streitigkeiten mit Anrainern kam. Auch Geruchsbelästigung war ein Thema, Anrainer haben erfolgreich beklagt, dass durch Änderungen bei der Abluftöffnung in der Grillküche mehr Nachbarn von Rauch betroffen seien. Das Lokal musste schließlich schließen und sperrte im Mai wieder auf. Mit einem Gas- statt eines Holzkohlegrillers und 50 Sitzplätzen weniger.

Wie gut geölte Sardinen

Abseits des Cafés preschen unter der Kagraner Brücke die Radlfahrer hervor, "rechts fahren, verdammt", schreit eine ältere Dame, die gerade noch einer Kollision mit dem Gegenverkehr entgeht. Gleich daneben gleiten zahlreiche Stand-up-Paddler übers Wasser, spätestens in diesem Sommer ist die Trendsportart auch in Wien angekommen.

Hie und da ist auch eine kleine Insel zu sehen.
Foto: Christian Fischer

An Land ist jedes Stück Grün okkupiert. Da reihen sich die Handtücher eng aneinander, darauf grillen sich Leute aller Altersklassen in der Sonne. Es riecht nach Sonnencreme und Gras. Ein Mann jenseits fünfzig breitet sein Badetuch sorgfältig auf einem Stück freien Rasens auf. Angst vor dem Virus habe er nicht, sagt er, während er an seiner schneeweißen Badehose zupft. Immerhin habe er ein gutes Immunsystem, auch die Hände wasche er sich regelmäßig. Hier an der Alten Donau sei er immer wieder und gern, aber im September möchte er trotzdem lieber nach Griechenland.

Zwei junge Frauen einige Meter weiter sehen das differenzierter. Grundsätzlich seien sie unter freiem Himmel nicht in Sorge vor Ansteckungen, sagt eine von ihnen, aber "gefährlich wird es dann, wenn die Leute für ein Tretboot oder ein Eis anstehen". Da würde man den Abstand dann schnell vergessen. Aber so richtig den Überblick darüber, was nun gilt und was nicht, hätte sie ohnehin nicht mehr, sagt die Zweite: "Hätte meine Mutter mir nicht gesagt, dass man im Supermarkt wieder eine Maske tragen muss, hätte ich das nicht gewusst." Die Regierung sollte ihre Maßnahmen deutlicher kommunizieren, darin sind die beiden sich einig. Etwa auf Instagram, damit auch Jüngere davon hören.

Zugang zum Wasser

Auf den schmalen Wegen, die die Alte Donau entlang führen, sind viele auf der Suche nach einem günstigen Badeplatz. Private Wasserzugänge wechseln sich entlang eines schmalen Streifens mit öffentlichen Badeplätzen ab. Auf der Lagerwiese Rehlacke dürfte es ob der mangelnden Platzverhältnisse babyelefantentechnisch hie und da etwas eng werden. Wegweiserschilder vor Ort zeigen die Kilometeranzahl zu entfernteren Urlaubsdestinationen an: 2.398 Kilometer zum Nationalpark Coto de Doñana in Spanien etwa oder 970 zum Nationalpark Wattenmeer.

Schwimmen mit der Wiener Skyline im Hintergrund.
Foto: Christian Fischer

Sie sei zwar generell öfter hier, sagt Laura, aber heuer wird es vermutlich noch ein bisschen öfter sein als sonst, denn eigentlich wollte sie mit ihren Freunden nach St. Wolfgang auf Urlaub fahren. Aber der Urlaub wurde wegen des aktuellen Corona-Clusters abgesagt. Nervös, dass auch an Orten wie diesen Infektionsgefahr bestehe, sei sie eigentlich nicht, sagt sie. Die meisten Badegäste betonen, dass sie Abstand halten wollen, so gut es gehe.

Im Bootsverleih glüht das Geschäft

Auch auf der anderen Seite des Wassers ist man guter Dinge. "Es geht uns ausgezeichnet", sagt Werner Ahammer, Geschäftsführer vom dort ansässigen Bootsverleih Eppel. Nur wenige Elektro- und Tretboote sind entlang der Stege geparkt, obwohl schon bald Dienstschluss ist. Die meisten sind noch am Wasser unterwegs. Bereits um halb elf am Vormittag seien die meisten Boote, zumindest für die erste Runde, vergeben, berichtet Ahammer. Auch er sagt: Viele, die jetzt ihren Auslandsurlaub gestrichen haben, holen die typischen Aktivitäten jetzt in Wien nach. So gebe es Familien, die nahezu jeden Tag kommen und dann fünf Stunden mit dem Boot am Wasser seien.

Auf einem Boot hat man Abstand zu anderen Badegästen.
Foto: Christian Fischer

Zeitweise würden sich in der Gegend gar die Massen "vorbeischieben", sagt Ahammer, der eine etwas nachlassende Disziplin beim Abstandhalten beobachtet. "Gut ist, dass auf ein Boot ohnehin nur vier Leute passen", sagt er. Angst vor einem zweiten Lockdown habe er aber sehr wohl. Der wäre auch schlimmer als der erste, der zumindest nicht in die Hochsaison fiel. Auch die Polizei sei vermehrt am Wasser unterwegs, sagt Ahammer – wiewohl nicht wegen Corona, sondern wegen Unfällen, die sich in den letzten Jahren ereignet haben.

Zurück im Strandcafé hat sich mittlerweile eine Warteschlange gebildet auf jenem Weg, an dem Teenager und umschlungene Seniorenpaare auf und ab flanieren und zwischen denen sich die Kellner durchmanövrieren. Jeder Tisch am Floß ist vollbesetzt, ein kühler Wind macht nun die Sommerhitze erträglich. Einen Tisch brauchen aber gar nicht alle Gäste: Als ein Boot anlegt, werden den Insassen prompt Bier und Ripperln an Bord serviert. Der rundbauchige Kapitän, unter dessen Schnauzer eine Zigarette hervorlugt, hat nun die Rolle hin zum DJ gewechselt. Als er "My Heart Will Go On" von Celine Dion auflegt, steht ein käsiger Mann in Badehose auf, tritt an die Reling und breitet die Arme aus. Das ist Urlaub. (Vanessa Gaigg, Gabriele Scherndl, 7.8.2020)