Lateinamerika (im Bild: Buenos Aires) ist inzwischen stark von China abhängig.

Foto: Juan MABROMATA / AFP

Mit Flugzeugen voller Hilfsgüter hat es angefangen, nun stellt China den Ländern Lateinamerikas Kredite in der Höhe von einer Milliarde US-Dollar in Aussicht, um einen Impfstoff gegen das Coronavirus zu kaufen. Das verkündete der chinesische Außenminister Wang Yi diese Woche nach einer virtuellen Sitzung mit seinen Amtskollegen aus Lateinamerika und der Karibik. China mischt mit beim Rennen um einen Impfstoff und hat versprochen, dass seiner ein allgemeines, öffentliches Gut sein werde. Das ist attraktiv für Lateinamerika, einer der von der Pandemie am stärksten betroffenen Kontinente, wo die Regierungen finanziell notorisch klamm sind.

Ganz anders fällt die Antwort der Regionalmacht USA aus: Präsident Donald Trump hortet getreu seines Mottos "America first" Medikamente und sichert den Amerikanern Rechte an vielversprechenden Impfstoffen. Er ließ trotz Pandemie die Kriegsflotte in der Karibik auffahren, um den Drogenhandel zu bekämpfen und das Embargo gegen Venezuela durchzusetzen. Und seine Regierung setzte zu keinem Zeitpunkt die Abschiebungen von Migranten in die Heimatländer aus – obwohl viele von ihnen nachweislich an Covid-19 erkrankt waren und zur Ausbreitung der Krankheit beitrugen. Während die USA Probleme exportieren, bringt die chinesische "Maskendiplomatie" Linderung – so das Narrativ, das Peking über seine Staatsmedien verbreitet.

Der geopolitische Wettlauf zwischen China und den USA um Einfluss in Lateinamerika ist nicht neu, aber er bekommt nun neuen Zündstoff. Ging China früher einer direkten Konfrontation mit den USA in dessen Hinterhof aus dem Weg, reagiert es nun zunehmend gereizt auf Anfeindungen von Trump oder dem ultrarechten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der China die Schuld an der Pandemie gab. Ungewohnt harsch forderte der chinesische Botschafter eine Entschuldigung – die er auch prompt bekam.

Chinesische Präsenz

Es läge ihm fern, China oder die Chinesen zu beleidigen, ruderte Bolsonaro zurück. China ist der wichtigste Auslandsinvestor und Handelspartner Brasiliens. Huawei baut in dem Land in Zusammenarbeit mit Oi die 5G-Technologie aus, Alibabas Ableger Ali-Express gehört zu den wichtigsten E-Kommerz-Plattformen. Auch für Peru, Chile und Argentinien ist China der wichtigste Handelspartner.

Über zwei Jahrzehnte hinweg hat China seine Präsenz in Lateinamerika Schritt für Schritt ausgebaut, von Kulturinstituten über Nachrichtenagenturen, Bergbaufirmen, Telekommunikation, Infrastruktur bis hin zu Krediten. Länder wie Venezuela oder Ecuador hängen finanziell am Tropf Pekings. Zwar wird Chinas Wirtschaft dieses Jahr selbst aller Wahrscheinlichkeit nach negative Zahlen schreiben, weshalb große Rettungspakete für Lateinamerika unwahrscheinlich sind – nicht so allerdings Umschuldungen mit Bedingungen wie einer größeren Marktöffnung Lateinamerikas. Oder der Kauf lateinamerikanischer Unternehmen, die in finanzielle Schieflage geraten sind, sagt Evan Ellis von der Bildungseinrichtung US-Army War College.

Narrativ beeinflussen

All das sei aber nur der Auftakt zu einem größeren Spiel, warnt Eric Farnsworth, Vizepräsident des Amerika-Rats: "Es geht darum, das Narrativ zu beeinflussen und das chinesische System als der liberalen Demokratie überlegen hinzustellen." Kooperationen im wissenschaftlichen Bereich oder politische Beratung seien dabei ebenso wichtige Instrumente wie Propaganda in den sozialen Netzwerken. "Gelingt der Kommunistischen Partei das, wäre dies ein wichtiger strategischer Sieg über den Westen", so Farnsworth.

Die US-Begeisterung für Lateinamerika ist derweil unter Trump merklich abgekühlt. Der Mauerbau hat dazu ebenso beigetragen wie sein offenkundiges Desinteresse an der Region. Unter ihm haben die USA vor allem eines in der Region ausgebaut: ihre Militärpräsenz. In der Karibik hält die Kriegsmarine derzeit eine der größten Anti-Drogen-Operation der vergangenen Jahrzehnte ab. In den schwachen Staaten von Guatemala über Haiti bis El Salvador spielt die US-Botschaft wieder offen die Rolle eines Vizekonsuls. Militärische Stärke ist die Trumpfkarte der USA. Washington unterhält mehr als 70 Militärbasen in der Region. China ist bisher über eine militärische Raumfahrtstation in Patagonien (Argentinien) nicht hinausgekommen.

Anti-China-Klausel für den Kontinent

Aber nicht nur mit militärischer Stärke und Einschüchterung kämpfen die USA um ihre Vormacht in Amerika. Die von Trump verfolgte Re-Regionalisierung des Welthandels spielt ebenfalls eine Rolle. Die Corona-Krise lässt auch Lateinamerika seine Abhängigkeit vom chinesischen Markt und Zulieferern schmerzlich spüren.

In die Neuverhandlung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (T-Mec) ließ Trump schon vor Corona daher eine Anti-China-Klausel einbauen, die den Vertragspartnern das Recht einräumt, jene Staaten "hinauszuwerfen", die mit einer "Nichtmarktwirtschaft" einen Freihandelsvertrag schließen. Eine weitere Annäherung Mexikos und Kanadas an China wird somit schwierig. "Auch für die Karibik eröffnen sich durch die Re-Regionalisierung neue Chancen, vom US-Markt zu profitieren", sagt Farnsworth. (Sandra Weiss aus Puebla, 30.7.2020)