Vor einem Monat durfte ich Zeuge eines zutiefst verstörenden öffentlichen Auftritts werden, nämlich der "Befragung der Auskunftsperson" Thomas Schmid vor dem "parlamentarischen Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung". Der amtierende ÖBAG-Chef offenbarte dabei eine sprachlos machende Ahnungslosigkeit bezüglich seiner eigenen Aufsichtsratstätigkeiten.

Schmids zumeist stammelnd vorgebrachte Ausführungen waren stellenweise derartig inferior, dass sogar der Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Sobotka seine Verzweiflung nicht mehr zu verbergen imstande war und minutenlang sein Gesicht in beiden Händen vergrub. Eine Geste, die zum Ausdruck brachte, was wohl viele Anwesende sich ebenso dachten: Wie ist es möglich, dass jemand wie Schmid so einen Posten bekommt?

Der Beantwortung dieser Frage sind wir mittlerweile ein bisschen näher gekommen. Aus in der Vorwoche veröffentlichten Chatprotokollen geht hervor, dass Schmid maßgeblich am Verfassen der Ausschreibung für seinen eigenen Job beteiligt war. Kann es sein, dass diese Ausschreibungspraxis hierzulande auch bei anderen Chefpostenvergaben so gehandhabt wurde?

ÖBAG-Chef Thomas Schmid im Rahmen des Ibiza-U-Ausschusses.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Das könnte einige aktuelle Besetzungen erklären. Zum Beispiel:

· Finanzministerium: "Haben Sie das Motto ‚Glücklich ist, wer vergisst‘ so verinnerlicht, dass Sie nicht einmal mehr wissen, warum Sie diesen Job haben wollen? Dann sind Sie unser Mann!"

· Verteidigungsministerium: "Angehende Konkursmasse sucht ihren desaströsen Zustand widerspiegelnde Repräsentant/in."

· Landwirtschaftsministerium: "Wir suchen eine Art ‚Best of Blue-Lady in Türkis‘, also eine bedingungslose Kanzler-Adorantin, deren Auftreten nicht die Gefahr der Überbetonung von Kompetenz und Fachwissen birgt, sondern eher an eine Kombination aus Elisabeth Sickl, Monika Forstinger und Beate Hartinger-Klein erinnert."

· Ministerium für Arbeit, Familie und Jugend: "Alexa, kannst Du für uns so tun, als wärest Du eine leibhaftige Ministerin?"

· SPÖ: "Herde fest entschlossener, aber trotzdem feiger männlicher Lemminge sucht verständnisvolle weibliche Sterbebegleitung."

· FPÖ: "Erwünscht ist nicht nur komplett auf sich allein gestelltes Durchhalten bis zum Schluss, sondern auch im Anschluss daran das Licht abzudrehen."

· ORF: "Gefordert ist maximal Rückgrat-elastisches Selbstverständnis als politischer Dienstleister, das sich mit der (metaphorisch gemeinten) Bereitschaft ‚öffne nackt in Socken‘ beschreiben lässt."

· Parlamentarischer Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung: "Angesichts der jetzt schon bekannten realen Grundlagen des Untersuchungsthemas suchen wir einen Mann mit langjähriger Bundesländer- und Spendenakquise-bedingter Erfahrung im Bereich ‚schambefreiter Willfährigkeit gegenüber Glücksspielautomatenkonzernen‘."

· ÖBAG: "Wenn Du nicht nur ein offenes Ohr für die schmutzigen Wünsche von Novomatic, sondern auch keine Angst vor eventueller Erpressbarkeit wegen Deiner offenherzigen Bekenntnisse zu Drogenkonsum oder deiner expliziten Aktivitäten auf der Dating-App Grindr hast, gibt es nur eines: Ruf uns an!!!" (Florian Scheuba, 30.7.2020)