Kaserne in Horn: Hier startete der Gewaltmarsch bei großer Hitze.

foto: apa/pfarrhofer

Krems/Wien – In dem heißen Sommer 2017 sorgte der Fall für großes Aufsehen – nun, drei Jahre später, steht fest: Der Tod eines jungen Rekruten des Bundesheers am 3. August 2017 nach einem Geländemarsch bei großer Hitze zur Mittagszeit hat für die beteiligten Ausbildner keine strafrechtlichen Konsequenzen.

Dem STANDARD liegt der Einstellungsbescheid der Landesgerichts Krems an der Donau in der Causa vor. Dieser kann in der Sache vor keinem österreichischen Gericht mehr bekämpft werden, sondern nur noch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Graupner: "Unverständlich"

Der Wiener Anwalt Helmut Graupner, der den Eltern des Verstorbenen als Prozessbegleiter zur Seite gestellt worden war, spricht von einer "völlig unverständlichen Entscheidung".

Der 19-jährige Wiener war bei 36 Grad in der Nähe der Radetzky-Kaserne in Horn, Niederösterreich, kollabiert. Er starb nur wenige Stunden später. Bis zu seinem Rücktransport in die Kaserne verging weit mehr als eine Stunde. Erst dann lieferten ihn Sanitäter ins Krankenhaus ein, nachdem sie bei ihm eine Körpertemperatur von 43,5 Grad festgestellt hatten. Bei einer derartigen Überhitzung herrscht Lebensgefahr, laut medizinischer Literatur müsste die Körperkerntemperatur innerhalb einer halben Stunde verringert werden.

"Ich brenne!"

Zeugen berichteten, bereits nach drei Kilometern des für 15 Kilometer angesetzten Marsches habe der Rekrut über Beschwerden geklagt. Der Ausbildner habe ihn jedoch angeschrien und zum Weitergehen gezwungen.

Ein Zeuge sagte aus, der Rekrut habe sich nach einem weiteren Kilometer auf den Boden gelegt: "Ich brenne, ich kann nicht mehr, ich habe 120 Prozent gegeben, rufen Sie den Arzt, warum glauben Sie mir nicht, rufen Sie den Doktor!", habe er geklagt.

Verdacht fahrlässiger Tötung

Die Staatsanwaltschaft Krems eröffnete eine Untersuchung wegen des Verdachts grob fahrlässiger Tötung gegen zwei Ausbildner und ordnete eine Obduktion an. Auch das Bundesheer initiierte eine Untersuchungskommission, um etwaige Verstöße gegen Vorschriften des Heeres zu prüfen.

Dann kam das erste Sachverständigengutachten. Der Tod des jungen Mannes sei nicht der Überanstrengung und Überhitzung allein geschuldet, hieß es darin. Vielmehr sei er an Herz-Kreislauf-Versagen infolge einer "akuten, septischen Entzündung" durch Grippe- und Lungenentzündungserreger gestorben.

Sorgfaltspflicht eingehalten

Die Gutachterkontroverse wegen der mehrere Tage nach dem Tod im Blut des jungen Mannes gefundenen Keime, die von den Gutachtern der privatbeteiligten Eltern als irrelevant bezeichnet wurden, zog sich danach durch das ganze Verfahren.

2018 stellte die Staatsanwaltschaft Krems das Verfahren gegen die Ausbildner ein, doch der Oberstaatsanwaltschaft Wien urgierte dessen Wiederaufnahme. Auch diese zweite Untersuchung endete mit der Entlastung der Verdächtigen: Weder der Zugsführer noch dessen Vorgesetzter hätten gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen. Gegen diesen Beschluss erhob Anwalt Graupner im Namen der Mutter des Rekruten einen Fortführungsantrag – der nunmehr abgewiesen worden ist.

Hitzeerlass im Zentrum

In der gesamten Causa nahm die Interpretation des bundesheerinternen sogenannten Hitzeerlasses eine zentrale Rolle ein. Laut ihr haben Ausbildner für die Soldaten Erleichterungen vorzusehen, sobald es an einem Tag um zwölf Uhr wärmer als 28 Grad ist. Dann sind etwa Fußmärsche in unbedecktem Gelände zu vermeiden. Laut Zeugenaussagen verlief ein Drittel des Marsches am 3. August 2017 in praller Sonne.

In Reaktion auf den Todesfall habe man den Hitzeerlass "konkretisiert" und gestrafft, sagte am Mittwoch Bundesheersprecher Michael Bauer dem STANDARD. Auch sitze der Schock wegen des Todesfalls tief, die Ausbildner würden "große Vorsicht walten lasten".

Anwalt Graupner wies darauf hin, dass der Gang zum EGMR privat bezahlt werden müsste. Das könnten sich die Eltern des Rekruten nicht leisten. (Irene Brickner, 30.7.2020)