Der Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek stammt aus Österreich und soll gute Kontakte zum russischen Geheimdienst, aber auch zur Bundesregierung unterhalten.

Foto: Wirecard

Die Verstrickungen zwischen dem mittlerweile insolventen Online-Zahlungsdienstleister Wirecard und der österreichischen Politik werden immer enger. Nun wurde bekannt, dass Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek die geheimen Dokumente mit der Formel des Nervengifts Nowitschok aus einem österreichischen Ministerium bekommen haben soll. Der Verdacht ergibt sich aus einer Sachverhaltsdarstellung aus dem Außen-, Wirtschafts- Verteidigungsministerium wegen Verdachts einer Straftat im gesetzmäßigen Wirkungsbereich, über die "Oe24" berichtete.

Die Dokumente mit der Formel des Nervengifts Nowitschok sollen von der Organisation für das Verbot von chemischen Waffen (OPCW) stammen. Marsalek soll diese Börsenmakler in London gezeigt haben. Mit dem Nervengift Nowitschok wurde versucht, den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal in London zu ermorden. Der Giftanschlag, für den Russland verantwortlich gemacht wurde, löste eine diplomatische Krise zwischen Großbritannien und Russland aus.

Nach einem Bericht der "Financial Times" kontaktierte die OPCW eine österreichische Diplomatin um sie zu informieren, dass das Deckblatt des veröffentlichten Dokuments im Zeitungsbericht Österreich als Herkunft verrate. Dies sei laut "Oe24" wegen eines nicht veröffentlichten Barcode auf dem Dokument ersichtlich. In Österreich hatten drei Ministerin Zugriff auf das Dokument: Das Außenministerium, damals in Hand von Karin Kneissl (FPÖ), das Verteidigungsministerium unter Mario Kunasek (FPÖ) und das Wirtschaftsministerium mit Margarethe Schramböck (ÖVP) an der Spitze.

Anzeige doch gefunden

Im Justizministerium ist Donnerstagabend die Anzeige von Außen-, Verteidigungs- und Wirtschaftsministerium in der Causa Nowitschok doch gefunden worden. Sie sei am Montag eingelangt und befinde sich aktuell noch zur Prüfung im Haus. Sobald diese abgeschlossen ist, wird die Anzeige "zeitnah" an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet, teilte Ministeriumssprecherin Christina Ratz der APA mit.

Außen-, Verteidigungs- und Wirtschaftsministerium haben wegen einer möglichen Weitergabe vertraulicher Unterlagen zum russischen Nervengift Nowitschok Anzeige erstattet. Denn der untergetauchte Marsalek hat laut Medienberichten aus Österreich stammende Unterlagen – samt Formel – zu Nowitschok im Sommer 2018 mehreren Personen in London gezeigt. Das Dokument soll aus der Abrüstungsabteilung des Außenamtes stammen und von diesem in Kopie auch an die Abteilung Militärpolitik des Verteidigungs- sowie an das Wirtschaftsministerium weitergeleitet worden sein.

Wirecard-App für Flüchtlinge

Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass das damals von Herbert Kickl (FPÖ) geführte Innenministerium mit Wirecard eine App für Asylwerber geplant haben soll. Über diese "Refugee-App" hätten Asylwerber ihre Grundversorgung erhalten sollen. Ziel war einerseits, Schwierigkeiten bei der Bankkonto-Eröffnung zu umgehen, andererseits aber auch Überweisungen in das Ursprungsland zu verhindern.

Jedoch kam die Empfehlung, mit Wirecard-Partner Ebcon Gespräche über eine Refugee-App zu führen, vom türkisen Kanzleramt ins Kickl-Ministerium. Eine Kabinettsmitarbeiterin vom damaligen Kanzleramtsminister Gernot Blümel leitete den Kontakt weiter und bohrte auch im Innenministerium nach, wann denn ein Termin erfolge.

FPÖ-Informant

Marsalek wird per internationalem Haftbefehl gesucht. Er wird auch verdächtigt, für den russischen Geheimdienst zu arbeiten und war FPÖ-Informant. Dies wurde durch einen Zufallsfund auf dem Handy von Ex-FPÖ-Politiker Johann Gudenus ersichtlich.

Die besagten Dokumente sind nicht die ersten brisanten Leaks aus österreichischen Ministerien, die im Ausland für Aufsehen sorgten. So wurde zum Beispiel ein Sicherheitsbericht des Berner Clubs über das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im November vergangenen Jahres an Medien gespielt. Auch der Fall eines österreichischen Offiziers, der seit den 1990er-Jahren 25 Jahre für Russland in Österreich spioniert haben soll, wirkte nicht unbedingt vertrauensbildend. (lalo, red, 30.7.2020)