Die Mittelbühne Stadtsaal muss sich um Publikumsauslastung normalerweise nicht sorgen. Aktuell befüllt man den Saal im Schichtbetrieb, ab August kommen Plexiglaswände hinzu. "Wir haben Glück, dass das Publikum sehr auf unserer Seite ist", sagt Betreiber Fritz Aumayr.

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Fritz Aumayr und Andreas Fuderer sitzen in ihrem Büro und schwitzen. Nicht nur, weil der STANDARD die wichtigsten Kabarettunternehmer der Schmäh-Metropole Wien am heißesten Tag des Jahres trifft, sondern weil die beiden verzweifelte Monate hinter sich haben und noch ein ebenso schwerer Weg vor ihnen liegt.

Vor knapp zehn Jahren gründeten Aumayr und Fuderer den Stadtsaal in der Mariahilfer Straße 81. Aus einem vergessenen Ballsaal der Jahrhundertwende machten sie den Dreh- und Angelpunkt der heimischen Kabarettstars. Fuderer umsorgt als Chef des kleinen Kabarett Niedermair zudem den humoristischen Nachwuchs. Covid-19 zwang im März zur Schließung beider Bühnen. Trotz Kurzarbeit hielten die zu organisierenden Ticket- und Terminverschiebungen die Stadtsaal-Betreiber auf Trab. "Ein unglaublicher Aufwand", sagen sie.

Seit letztem Wochenende wird zumindest im Stadtsaal wieder gespielt. Die Liedermacher Ernst Molden und Willi Resetarits gaben drei Konzertabende zur Wiederöffnung. "Ein emotionaler Moment. Für alle, das Publikum, die Künstler und uns." Den Saal, der 500 Leute fassen würde und voll ausgelastet mit 400 Plätzen bespielt wird, füllt man aktuell mit 200 Besuchern, schachbrettartig angeordnet bzw. in zusammengehörigen Gruppen.

Am Tag des STANDARD-Besuchs findet das gleich im Doppelpack statt. Kabarettist Alex Kristan spult eine Marathonshow ab und gibt sein Programm zweimal hintereinander vor je 200 Leuten. Derartiges soll aber Ausnahme bleiben. Ab August will man stärker zurück zur Normalität und wieder bis zu 400 Personen in den Saal lassen, möglich gemacht durch flexibel verschiebbare Plexiglaswände zwischen den Sitzen und umfangreiche Maßnahmen.

Sechsstellige Verluste

"Wir unternehmen alles, um maximale Sicherheit herzustellen", sagt Fuderer und verweist auf das große Volumen des Saals, Desinfektion, neue Leitsysteme, Contact-Tracing oder regelmäßige Tests und verpflichtenden Mund-Nasen-Schutz für die Mitarbeiter. Im Buffetraum wurden zudem die Tische reduziert, was sich mit bis zu 50 Prozent Einnahmenentgang niederschlägt.

Aber an den Verlust, der schon jetzt eine sechsstellige Summe ausmache, wollen Aumayr und Fuderer lieber nicht denken. Zunächst einmal freuen sie sich, wieder spielen zu dürfen. "Zusperren wäre nicht nur wirtschaftlich, sondern auch moralisch keine Option. Gerade jetzt wollen und brauchen die Leute das Kabarett."

"Äußerst diszipliniert" habe sich das Publikum bei den ersten Events verhalten und etwa in den Aufenthaltsräumen freiwillig Masken getragen. Und falls es doch zu einem Corona-Fall käme? "Wir sind vorbereitet. Was die Behörden dann tun würden, ist offen." Ein "bisschen Mut" gehöre aber schon dazu als Veranstalter.

"Wir haben Glück, dass das Publikum sehr auf unserer Seite ist", sagt Aumayr. "Es gab kaum die Forderung, dass man Geld zurückwill", nur etwa 10.000 Euro habe man zurückerstattet, der überwiegende Teil der Kartenkäufer nehme die verschobenen Termine gerne wahr, sogar im kleinen Niedermair, wo Fuderer erst ab Herbst wieder öffnen wird und den engen 100-Personen-Saal nur zur Hälfte vollmachen will.

Das, so Fuderer, werde zwar ein Verlustgeschäft, aber mit einer kleinen Basissubvention der Stadt Wien, die er für die Nachwuchsbühne bezieht, könnten die roten Zahlen einigermaßen im Rahmen gehalten werden.

Mit der Kulturpolitik hatte die traditionell wenig subventionierte Kabarettbranche erst im Zuge von Corona erstmals nähere Berührung – und es wurde sogleich ein Nahkampf daraus. Am Rücktritt von Ulrike Lunacek als glückloser grüner Kulturstaatssekretärin und dem Wechsel zu Andrea Mayer hatten die scharfzüngigen Kabarettisten, allen voran Lukas Resetarits mit einem harschen Wutvideo, ihren Anteil.

Über Stil könne man streiten, aber es sei wichtig gewesen, auf die Notlage der Kulturbranche aufmerksam zu machen, sagen die Stadtsaal-Chefs. Mit Staatssekretärin Mayer habe die Szene zwar seither auch noch keinen direkten Kontakt gehabt, immerhin habe man aber auf Beamtenebene um ein Förderprogramm für Kabarettnachwuchs werben können. Das soll demnächst auch kommen.

Stadt Wien spendiert neue Klimaanlage

Und der Stadtsaal, gegründet ohne Subvention, bekommt von der wohl auch wegen der anstehenden Wien-Wahl aktuell spendierfreudigen Stadt ein Geschenk zum zehnten Geburtstag: eine moderne Klimaanlage, die Luft unter den Sitzen hineinbläst und an der Decke absaugt. Die soll in Pandemiezeiten zusätzliche Sicherheit bringen.

Der Ticket-Vorverkauf für den Herbst läuft indes noch schleppend. Fuderer und Aumayr hoffen diesbezüglich vor allem auf positive Mundpropaganda. Große Premieren mit Gunkl, Josef Hader und Lukas Resetarits stehen dann an.

Ein wegen der Schließung von Aumayr und Fuderer angedachtes Sommerkabarett im Museumsquartier verwarfen die beiden hingegen. Michael Niavarani und Georg Hoanzl waren mit "Theater im Belvedere-Park" schneller, und auch die Stadt Wien funkte mit dem erweiterten Donauinselfest dazwischen. "Das läuft aber alles sehr erfolgreich, und darüber freuen wir uns", heißt es gänzlich ohne Groll.

Für die Zukunft schließen die Stadtsaal-Chefs die Museumsquartier-Idee nicht aus. Allerdings: "Wenn die Sommer weiter so heiß und unbeständig bleiben, sitzt man dann vielleicht eh lieber im bestens klimatisierten Stadtsaal." (Stefan Weiss, 31.7.2020)