Der Wiener Countertenor Armin Gramer wohnt in Ottakring. Uns hat er erzählt, wozu er seine beiden Lieblingskochbücher braucht, wenn gerade keine Kameramänner zu Besuch sind

"Ich sitz hier in einer echt schönen Ecke meiner Wohnung, eingeklemmt zwischen Dachschräge und wuchernden Zimmerpflanzen, richtig kuschelig und gemütlich. Die Situation erinnert mich an eine bequeme Wohnhöhle. Das einzige, aber nicht unwesentliche Problem ist nur: Ich sitz da nie, denn das glatte Leder hat sich als dermaßen rutschig herausgestellt, dass man die ganze Zeit weggleitet, sobald man sich nur einen Millimeter bewegt. Ich hab das Leder, ich gebe es zu, schon in allen mehr oder weniger anzüglichen Kleidungszuständen ausprobiert, und es wird und wird nicht besser.

Armin Gramer an einem Ort in seiner Wohnung, an dem er fast nie sitzt – aus gutem Grund.
Foto: Lisi Specht

Das nicht benutzbare Eckerl unter der Dachschräge ist für mich ein Symbol für den Rückzug vom Getümmel draußen in der Stadt. Die Wohnung ist eine Oase der akustischen und visuellen Ruhe, enthoben dem städtischen Lärm, mit direktem Blick in den Himmel. Für den Fototermin hab ich vor ein paar Tagen die Fenster geputzt. Leider bin ich dabei ausgerutscht, hab in einem akrobatischen Akt irgendwie die Balance wiedergefunden, bin dabei aber leider auf den Heizkörper gestiegen, den es daraufhin aus der Wand gerissen hat. Drama pur! Zum Glück hat’s die Heizungsrohre nicht zerrissen, sonst hätt’s noch eine Überschwemmung gegeben. Bis die Installateure kommen, um das ganze Malheur zu richten, habe ich zwei Kochbücher in der idealen Dicke daruntergelegt – und zwar den Goldenen Plachutta und den Silberlöffel über die klassische italienische Küche.

Wenn grad kein Heizkörper in Nöten ist, sind die beiden Bücher in einem anderen Raum dieser Wohnung in reger Verwendung: Ich koche liebend gerne und hab letztes Jahr sogar in der Vox-Sendung Das perfekte Dinner mitgemacht. Es hat echt Spaß gemacht, auch wenn es ein bissl strange war, vier völlig fremde Menschen und etliche weitere Leute für Licht, Ton, Kamera, Schnitt, Technik, Regie und Regieassistenz in meiner Wohnung zu Besuch zu haben. Meine Konkurrentinnen und Konkurrenten waren echt gut, und so hat es bei mir nur für den olympischen Gedanken gereicht.

Armin Gramer ist glücklich in seiner Wohnung, weil sie hoch und luftig ist – und größer wirkt, als sie ist. Die Schalldämmung ist außerdem so gut, dass er hier in allen Oktaven singen kann.
Fotos: Lisi Specht

Die Wohnung befindet sich in Ottakring, an der Grenze zum 15. Bezirk. Eine schöne Mietwohnung mit 73 Quadratmetern und einer kleinen Dachterrasse. Ich wohne hier mit meinem Mann Gernot seit rund sieben Jahren, wobei wir noch ein Haus in Krems haben. Ich mag die Wohnung, denn sie ist hoch, luftig und großzügig geschnitten und wirkt deutlich größer, als sie ist. Und: Nachdem über uns nur der Himmel ist und der Boden über dem bestehenden Altbau betoniert wurde, ist die Schalldämmung recht gut. Ich kann hier in allen Oktaven singen und üben, bis zum hohen G2 hinauf, meine Nachbarn scheinen davon nichts zu hören.

Eigentlich wollte ich als Kind Meeresbiologe werden. Seit ich klein bin, habe ich davon geträumt, in fremde Welten einzutauchen. Der Traum ist ins Wasser gefallen. Jetzt ist die fremde Welt halt eine musikalische. Das ist eine gute Entwicklung, denn der Ausdruck mit Musik ist eine sehr authentische Darstellung meiner Sehnsüchte. Auch die Wohnung ist authentisch und spiegelt mich gut wider – kein durchgehender Stil, von allem ein bissl was, ein Querschnitt durch alle Aspekte des Lebens. Meine beiden Lieblingsstücke sind übrigens ein Ganesha und der goldene Sari über unserem Bett. Beide stammen von meiner Lieblingstante, die mir sehr ans Herz gewachsen war.

Fotos: Lisi Specht

Alles in allem bin ich sehr glücklich, so wie es ist. Ich brauche keine Finca auf Mallorca und keine Villa am Gardasee, sondern liebe es, mich um die Maracuja-Pflanzen auf der Terrasse zu kümmern, wenn ich außerhalb der Corona-Zeiten zwischen all den Tourneen endlich mal wieder zu Hause bin." (Protokoll: Wojciech Czaja, 3.8.2020)