Präsident Alexander Lukaschenko hat sogar die Feuerwehr für Vorführungen eingespannt, mit denen er sich seine Wiederwahl sichern will.
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Szenen wie aus einem Agententhriller erschüttern derzeit das Verhältnis zwischen Russland und Belarus (Weißrussland): Schwerbewaffnete Männer einer Spezialeinheit des belarussischen Geheimdienstes KGB stürmten ein Sanatorium nahe der Hauptstadt. 32 Russen nahm der KGB dort fest, bei ihnen und einem weiteren im Süden des Landes in Arrest Genommenen handelt es sich laut dem belarussischen Staatsfernsehen um russische Söldner, die zur "Destabilisierung der Lage während des Wahlkampfs" eingereist seien.

Ob und wie schwer die Festgenommenen bewaffnet waren, geht aus dem Beitrag nicht hervor, gesprochen wird lediglich von Kleidung im Militärstil. Ein Sticker mit der Aufschrift "Tod ist unser Geschäft, und das Geschäft läuft gut" wird vor der Kamera als Beweis mittel aufgeführt.

Dieser Sticker ist besonders bei den Kämpfern der russischen Söldnereinheit "Wagner" beliebt, und zu ebenjener sollen die Verdächtigen im Alter zwischen 24 und 55 Jahren auch gehören. Laut dem Sekretär des belarussischen nationalen Sicherheitsrats, Andrej Rawkow, sind die Festgenommenen nicht die Einzigen. "Neuesten Informationen nach befinden sich bis zu 200 auf unserem Gebiet." Nach ihnen werde intensiv gefahndet, sagte Rawkow.

Präsident Alexander Lukaschenko, der angesichts der "Notstandssituation" eilends eine Sitzung des nationalen Sicherheitsrats einberufen hatte, sprach von "schmutzigen Absichten" Moskaus und forderte von dort eine Erklärung für den Vorfall. Seine Untergebenen leiteten derweil ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf organisierten Terror gegen die Verdächtigen ein.

Kreml weiß von nichts

Aber Erklärungen will nicht nur Minsk. Auch der Kreml wartete eigenen Angaben zufolge darauf. Moskau habe keine Information über irgendwelche strafrechtlichen Handlungen der Verdächtigen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow und nannte alle Vorwürfe, dass Russland an den Protesten gegen Lukaschenko in Belarus beteiligt sei, eine haltlose "Unterstellung". Er forderte, die Rechte der "festgenommenen russischen Bürger im vollen Umfang zu wahren" und Russland in Kenntnis zu setzen.

Dass es sich bei den Russen nicht um einfache Touristen handelt, ist inzwischen allerdings klar. Der russische nationalistische Schriftsteller Sachar Prilepin erkannte mehrere Festgenommene als seine Mitkämpfer auf der Separatistenseite im Donbass. Die Version, dass es sich um Söldner der Wagner-Truppe handelt, ist damit ziemlich stichhaltig.

Jedoch interpretieren beide Seiten die Anwesenheit der Söldner in Minsk unterschiedlich. Der russische Militärkorrespondent Semjon Pegow erklärt Minsk zum notwendigen Umschlagpunkt für Wagner-Söldner, die in Afrika und Syrien tätig seien. Weil Russland seine Grenzen geschlossen habe, müssten die Männer eben über Belarus in Drittstaaten ausreisen. Lukaschenko sei darüber informiert gewesen.

Warum ausgerechnet Tansania?

Tatsächlich wird zumindest gemunkelt, dass einer der Gründe für die Wiederaufnahme der Flüge aus Moskau ausgerechnet nach Tansania ab 1. August in der Logistik für ebenjene Söldner liege, obwohl Moskau offiziell natürlich deren Vorhandensein abstreitet.

Lukaschenko hingegen sieht darin eine Einmischung in den Wahlkampf und präsentiert sich – gern auch in Uniform – wieder als Retter der belarussischen Souveränität, während er den anderen Kandidaten damit indirekt vorwirft, aus dem Ausland gesteuert zu sein. Die verbliebenen Herausforderer wurden am Donnerstag alle von der Wahlkommission noch einmal vergattert.

Die Opposition hingegen vermutet, dass der seit 1994 amtierende Lukaschenko bewusst Ängste schüre. Angesichts des massiv steigenden Unmuts und der Proteste gegen ihn suche er nach einem Vorwand, um die Bewegungsfreiheit der Opposition einzuengen, ihr den Wahlkampf weiter zu erschweren oder im äußersten Fall sogar die Wahl am Sonntag abzusagen, sollte er den Sieg nicht garantieren können. (André Ballin, 30.7.2020)