Der Verfassungsgerichtshof hat eine gleichheitswidrige Bestimmung zum Nachteil Minderjähriger im Asylrecht aufgehoben.

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Wien – Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat eine gleichheitswidrige Bestimmung zum Nachteil Minderjähriger im Asylrecht aufgehoben. Hat ein Kind Asylstatus in Österreich, erhält sein gesetzlicher Vertreter auch diesen Status, um sich um das Kind kümmern zu können. Ist der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kindes in Österreich Asylberechtigter, konnte dieses Kind bisher jedoch nicht denselben Schutzstatus erhalten. Diese Differenzierung sei ungerechtfertigt, so der VfGH.

Kindeswohl entscheidend

Nach dem Asylgesetz 2005 ist Familienangehörigen eines Asylberechtigten auf Antrag ebenfalls der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Als Familienangehörige gelten unter anderen die Eltern eines minderjährigen Asylberechtigten, Ehepartner und minderjährige Kinder des Asylberechtigten sowie der gesetzliche Vertreter eines Asylberechtigten, sofern dieser minderjährig und nicht verheiratet ist.

Die Regelung im Asylgesetz bezweckt offensichtlich, dass der gesetzliche Vertreter eines in Österreich Asylberechtigten seine Aufgaben in Bezug auf diesen auch im Inland wahrnehmen kann. Dies geschieht eben dadurch, dass der Vertreter ebenso Schutz unter dem Asylrecht bekommt und damit nach Österreich einreisen und hier bleiben kann. In der Praxis geht es meist um die Vertretung von Minderjährigen, insofern dient die Regelung dem Kindeswohl.

Ungerechtfertigte Differenzierung

Ist aber der in Österreich Asylberechtigte selbst gesetzlicher Vertreter eines minderjährigen Kindes, kann dieses Kind nicht denselben Schutzstatus erhalten. Diese Differenzierung widerspricht dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz, stellte der VfGH fest. Denn ein vernünftiger Grund für eine Ungleichbehandlung ist nicht erkennbar: Ein minderjähriges Kind steht zu seinem gesetzlichen Vertreter in vielen Fällen in einem Verhältnis, das dem zwischen Eltern und Kind entspricht.

Der VfGH hat daher die einschränkende Begriffsbestimmung des Paragrafen 2 Absatz 1 Ziffer 22 Asylgesetz 2005 als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2021 in Kraft.

Gleichzeitig kündigte der VfGH in einer Aussendung am Freitag Vorbereitungen für Beratungen im Herbst – unter anderen über "Kopftuchverbot" und Sterbehilfe – an. (APA, red, 31.7.2020)