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Abraham Lincoln hätte keine Freude mit Trumps Ansinnen, die Wahl zu verschieben.
Foto: Reuters / Leah Millis

Die Empörung kennt ausnahmsweise keine Parteigrenzen. Von Gegnern und von Verbündeten gleichermaßen erntet Donald Trump massive Kritik für seine Idee einer Verschiebung der Präsidentenwahl. Selbst in der Corona-Ausnahmesituation sei das undenkbar. Klare Worte von Mitch McConnell, dem Chef der Republikaner im Senat: Kein einziges Mal in der Geschichte des Landes, Kriege und Wirtschaftskrisen eingeschlossen, habe man ein nationales Votum nicht pünktlich abgehalten. "Und wir werden einen Weg finden, es auch am 3. November zu tun. Wir meistern die Lage, wie immer sie sein mag."

Die Heftigkeit des Widerspruchs ist bemerkenswert, weil McConnell gewöhnlich zu verbalen Slalomläufen neigt, wenn er Trumps Meinung nicht teilt. Diesmal ließ sein Nein ebenso wenig an Deutlichkeit zu wünschen übrig wie die Wortmeldungen von Senatoren, die Trump sonst fast reflexartig in Schutz nehmen. Es gebe nichts zu rütteln an dem Termin, sagte Marco Rubio. Lindsey Graham sprach von "keiner besonders guten Idee". Nicht einmal Ronna McDaniel, de facto General sekretärin der Partei, wollte den Vorstoß verteidigen: Es stehe offensichtlich nicht in der Macht des Präsidenten, ein Wahldatum zu ändern.

Bloß ein Ablenkungsmanöver?

Für die Demokraten sprach Senatsfraktionschef Chuck Schumer von einem Manöver, bei dem es darum gehe, vom kata strophalen Krisenmanagement des Weißen Hauses abzulenken. Nancy Pelosi, die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, zitierte aus der US-Verfassung, die eindeutig regelt, dass die Legislative, nicht die Exekutive, über den Termin bestimmt. 1845 beschloss der Kongress, die Wahl habe "am ersten Dienstag nach dem ersten Montag im November" stattzufinden.

Theoretisch könnte das geändert werden, praktisch ist es Illusion. Zum einen würden die Demokraten mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus solche Initiativen blockieren. Zum anderen müssten 60 der 100 Senatoren zustimmen – ebenfalls unrealistisch. Keinesfalls, so die Demokratin Zoe Lofgren, werde man einem Präsidenten, der Unwahrheiten über angeblichen Betrug bei der Briefwahl verbreitet, entgegenkommen.

Bloß Einschüchterungstaktik?

Nach den Worten von Richard Painter, einst Rechtsberater bei George W. Bush, will Trump nur Zweifel säen. Zweifel an einem Votum, das wie keines zuvor im Zeichen der Briefwahl stehen dürfte, wenn Millionen von Amerikanern wegen der Corona-Gefahr kein Wahllokal aufsuchen werden: "Trump versucht die Leute bloß einzuschüchtern. Er will möglichst viele vom Wählen abhalten, und hinterher, falls er verliert, will er sich über eine manipulierte Wahl beschweren."

Dass er vorbaut, hat der Präsident auf einer seiner Corona-Pressekonferenzen, eher unfreiwillig, bestätigt: "Ich will keine Verschiebung. Ich will eine Wahl und ein Ergebnis", relativierte er zunächst, womit er noch am Morgen auf Twitter kokettiert hatte. Angesichts heftigen Gegenwinds machte er einen halben Rückzieher: Er wolle nicht drei Monate warten, um herauszufinden, "dass all die Stimmzettel vermisst werden und diese Wahl nichts bedeutet. (...) Das wird passieren, und jeder weiß das."

Wie wenig Trumps Behauptung auf Tatsachen beruht, weist die konservative Heritage Foundation nach: In den vergangenen 20 Jahren wurden rund 1.200 Fälle von Wahlbetrug festgestellt, und da nur 204 Fälle bei einer Briefwahl.

Mahnende Worte von Lincoln und Roosevelt

Seit der Gründung der Republik, ergänzt der Historiker Michael Beschloss, sei der Vorschlag, ein Votum zu verlegen, nur zweimal an einen Staatschef herangetragen worden: im Bürgerkriegsjahr 1864 an Abraham Lincoln (Bild), 1942 im Zweiten Weltkrieg an Franklin Delano Roosevelt. Beide hätten abgelehnt. Ließe man sich darauf ein, wäre "unser System" besiegt, meinte Lincoln. Und Roosevelt warnte: Das zu tun, wenn man die Faschisten bekämpfe, würde bedeuten, "dass wir selbst Faschisten geworden sind". (Frank Herrmann aus Washington, 31.7.2020)