Bild nicht mehr verfügbar.

Die Coronakrise könnte insbesondere Frauen auf dem Arbeitsmarkt noch länger Probleme bereiten.

Foto: Getty Images

In der Krise beweist sich bekanntlich der Charakter von Menschen, und in manch schwierigen Zeiten werden auch gesellschaftliche Machtverhältnisse deutlich. Dass immer noch Männer in überwiegender Zahl an den Tischen sitzen, wo die wichtigsten Entscheidungen getroffen werden, veranschaulicht die Corona-Krise: Sie teilen als Experten ihre Einschätzungen, verkünden als Minister die Beschlüsse ihrer meist männlich besetzten Regierungen, pflegen im Homeoffice ihre Karriere weiter. Auch in Österreich, wo die Regierung noch nie so viele weibliche Mitglieder hatte wie jetzt, bleibt das Krisenmanagement weitgehend in männlicher Hand. Über vier Monate nach Verkündung der ersten drastischen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus offenbart sich immer deutlicher, was es bedeutet, wenn Personen, die über Heimarbeit und Ausgangssperren entscheiden, mehrheitlich Männer sind.

Absehbare Krise für Frauen

Die Konsequenzen daraus, dass Perspektiven und Probleme von Frauen fehlen, zeigen sich immer deutlicher: Sie kümmert sich vermehrt um die unbezahlte Hausarbeit und Kinderbetreuung und arbeitet in Teilzeit. Er ist hingegen in erster Linie für das Familieneinkommen zuständig. Alleinerziehende machen alles und müssen sich deshalb auf Kinderbetreuungseinrichtungen oder Tagesmütter verlassen, was in den vergangenen Monaten nur bedingt möglich war – und sich angesichts weiter ansteigender Infektionszahlen künftig weiterhin schwierig gestalten dürfte. Zudem sind es mehrheitlich Frauen, die aufgrund ihrer Arbeit einem höheren Risiko ausgesetzt sind, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. In der Europäischen Union sind rund 80 Prozent der Beschäftigten im Gesundheitssektor weiblich. Auch Angestellte im Supermarkt, Putz- und Pflegekräfte sind zum großen Teil Frauen.

Bereits jetzt stehen Frauen am Ende eines Arbeitslebens mit 42 Prozent weniger Pension da als Männer, wie die am Donnerstag präsentierten "Equal Pension Day"-Berechnungen zeigen. Doch selbst mit den kleinen Schritten der vergangenen Jahrzehnte in Richtung Gleichberechtigung, die die geschlechterspezifische Arbeitsteilung mit all ihren finanziellen Nachteilen für Frauen etwas aufweichen, könnte es nun vorbei sein. Bedroht sind die ohnehin nur kleinen Erfolge, sei es beim Schließen der Lohnschere oder der Einbindung der Väter in die Kinderbetreuung. Die Weichen für den Rückwärtsgang seien durch die Krise schon gelegt, befürchten Arbeitsmarktexpertinnen und Frauenrechtlerinnen.

Neue alte Probleme

Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen belegen, dass Frauen stärker von Corona-bedingter Arbeitslosigkeit betroffen sind, vor allem jene in der Dienstleistungsbranche oder im Sozialbereich: Friseurinnen und Kosmetikerinnen etwa trifft es direkt, wenn sich die Kundschaft aus Angst vor Ansteckungen nicht in ihre Geschäfte traut, wenn Hochzeiten und andere Veranstaltungen abgeblasen werden. In den sogenannten Frauenbranchen fallen die Löhne ohnehin niedriger aus, oft werden dort nur Teilzeitstellen angeboten. Dass sich die Jobsuche für Menschen mit Betreuungspflichten nicht immer einfach gestaltet, kommt da noch erschwerend hinzu.

All dem gegenzusteuern dürfte sich schwer gestalten, dafür mangelt es offenbar an politischem Willen. Immerhin waren die frauenspezifischen Probleme der Corona-Krise schon zuvor allgemein bekannt – und wurden trotzdem nicht gelöst.


1. Männer managen die Krise

Zwar holte Bundeskanzler Sebastian Kurz so viele Frauen in sein Regierungsteam wie kein ÖVP-Chef zuvor, in der Krise haben diese aber relativ wenig zu sagen. Frauenministerin Susanne Raab fiel zuletzt nicht für Engagement für Frauen und Familien auf. Die beinahe täglichen Pressekonferenzen in Zeiten des Lockdowns waren in der Regel reine Männertermine. Die Fehler, die einige Minister dort begingen, waren die Österreicherinnen und Österreicher offenbar eher gewillt zu verzeihen als jene ihrer Kolleginnen. Vor allem die Frauen im Kurz-Team gerieten bislang stark unter Beschuss. Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der selbst Patzer eingeräumt hat, führt hingegen aktuell das Beliebtheitsranking des Umfrageinstituts Unique Research an, Kurz ist an zweiter Stelle. Die populärste grüne Politikerin belegt Platz vier (Alma Zadić), jene der Türkisen Platz elf (Elisabeth Köstinger). Selbst im seit 15 Jahren von einer Kanzlerin regierten Deutschland bleibt Corona-Politik in der Breite Männersache. Bis auf Angela Merkel sind die wichtigsten Entscheidungsträger Männer. Bayerns Regierungschef Markus Söder, der sich neben Merkel zum obersten Corona-Manager entwickelt hat, erklärt das so: "In der Krise wird oft nach dem Vater gefragt."

2. Vereinbarkeit

Im Zusammenhang mit Homeoffice wurde in den vergangenen Jahren die Hoffnung laut, dass damit die Vereinbarkeit von Familie und Job besser gelingen könnte. Doch die ersten Corona-bedingten Erfahrungen zeigen, dass Homeoffice an der traditionellen Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen bisher nichts geändert hat. Das ergab eine Umfrage der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und der Arbeiterkammer (AK). Zwar finde in Paarhaushalten ohne Kinder eine sehr ausgeglichene Arbeitsaufteilung statt, sagt die Ökonomin Katharina Mader von der WU Wien. Damit ist es aber vorbei, sobald Kinder da sind: Die meiste unbezahlte Arbeit leisten derzeit Frauen in Paarhaushalten mit Kindern, insgesamt kommen sie auf 14,5 Arbeitsstunden, davon sind 9,5 Stunden unbezahlt. Am meisten arbeiten Alleinerzieherinnen mit knapp 15 Stunden bezahlter und unbezahlter Arbeit pro Tag. Die installierte "Sonderbetreuungszeit" wegen plötzlich geschlossener Kindergärten und wochenlangen Schulschließungen war nur für wenige eine Option, wie aktuelle Zahlen zeigen: Die gesamten drei Wochen im Mai nahmen lediglich 514 Personen in Anspruch, knapp 5000 Personen haben in Summe die Sonderbetreuungszeit nutzen können.

3. Arbeitslosigkeit

Frauen sind in der Corona-Krise stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. 85 Prozent des Anstiegs der Arbeitslosen und derer, die an Schulungen teilnehmen, entfielen im Zeitraum zwischen Februar und Juni 2020 auf Frauen. Unter den zusätzlich 64.146 Arbeitslosen sind 54.702 Frauen und 9444 Männer. Grund für den größeren Zuwachs bei Frauen ist, dass Branchen mit einem hohen Frauenanteil derzeit stärker betroffen sind: Gastronomie, Hotellerie, Einzelhandel, persönliche Dienstleistungen und auch der Freizeit- und Kulturbereich.

Im Gesundheits- und Sozialbereich lag der Frauenanteil beim Anstieg der Arbeitslosen sogar bei 77 Prozent. Das unterscheidet die gegenwärtige Krise von der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009: Damals verloren vorwiegend Personen im männerdominierten Industriesektor ihren Job, sagt Vera Glassner, Expertin der Arbeiterkammer Wien für Geschlechterungleichheiten in der Arbeitswelt. Erschwerend kommt für Frauen hinzu, dass die aktuelle Arbeitslosigkeit besonders in atypischen Beschäftigungsformen vorkommt, die vor allem in den sogenannten Frauenbranchen üblich sind. Auch Migrantinnen sind von Corona-bedingter Arbeitslosigkeit besonders stark betroffen.

4. Beziehungen und Gewalt

Mit Ausrufung des Lockdowns machte der Witz die Runde, was wohl eher zunehmen werde: die Zahl der Geburten oder jene der Trennungen? Die Antwort darauf steht noch aus, fest steht in der Zwischenzeit aber: Die viele Zeit zu Hause, Homeschooling und finanzielle Sorgen bergen das Potenzial für mehr Streit in der Partnerschaft. In Österreich gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass die Scheidungsrate wegen der Corona-Krise 2020 weitaus höher ausfallen wird als in anderen Jahren.

Mehr geworden sind auch die Anrufe bei "Rat auf Draht": Von Mitte März bis Ende Mai 2020 verzeichnete die Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche 170 Anrufe zum Thema Konflikt zwischen Elternteilen, etwa gleich viele wie im Gesamtjahr 2019. Auch der Einsatz von Gewalt nahm zu: Laut Uno haben sich die Anrufe von Frauen nach Gewalterfahrungen weltweit verdoppelt. Allein in Wien sind die von der Polizei verhängten Betretungsverbote und sonstigen Schutzmaßnahmen im März und April von 60 bis 65 auf 80 bis 90 Fälle pro Woche gestiegen, sagt Rosa Logar, Leiterin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. "Wenn der Partner ohnehin schon ein Gewaltproblem hatte, dann potenziert sich dieses in einer Krisensituation." (Anna Giulia Fink, Beate Hausbichler, 1.8.2020)