Der Betriebsrat rief am Freitag in Spielberg zur Versammlung. Die Belegschaft ist bereit zum Streik.

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Spielberg – "Wir sind zu allem bereit. Wenn es sein muss, ketten wir uns an die Maschinen an." Michael Leitner hat in 44 Jahren bei der ATB alle Höhen und Tiefen des obersteirischen Motorenherstellers erlebt, vom Konkurs der Bauknecht-Gruppe bis zur Pleite des Industriellen Mirko Kovats. "Aber das, was wir gerade mitmachen, übertrifft alles."

Eine Woche ist es her, dass ATB ihren 400 Mitarbeitern in Spielberg mitteilte, dass 360 unter ihnen den Job verlieren. Wenige Tage später kam die Hiobsbotschaft der Insolvenz. Am Donnerstag erfuhr die Belegschaft, dass die ersten Maschinen bereits nächste Woche, mit Start des Betriebsurlaubs, abmontiert und zu einem Schwesterwerk nach Polen gekarrt werden – obwohl die Gläubigerversammlung erst für 19. August angesetzt ist. Damit fallen auf einen Schlag 200 Stellen weg.

Hoffen auf Investor

Seither gehen in dem Werk die Wogen hoch. Am Freitag beschloss die Belegschaft einstimmig Kampfmaßnahmen, sollte ihr Arbeitgeber nicht einlenken. Die Steirer hoffen auf einen neuen Investor, zumindest aber auf einen Sozialplan. Die Politik ist involviert und sucht ihrerseits Kontakte nach Asien.

Eigentümer ist seit 2011 die chinesische Wolong-Gruppe. Die aktuellen finanziellen Probleme begannen Leitner zufolge, der seit 35 Jahren Arbeiterbetriebsrat ist, 2016. Immer wieder habe er mit der Belegschaft schriftlich vor Schwachpunkten im Einkauf, im Vertrieb wie in der Forschung und Entwicklung gewarnt. Passiert sei nichts.

"Runtergewirtschaftet"

ATB selbst weist darauf hin, dass signifikante Verluste in der Produktion nur durch Zuschüsse der Eigentümer ausgeglichen werden konnten. "Wir wurden bewusst runtergewirtschaftet, und die Schließung der Fertigung war von langer Hand geplant", ist Leitner überzeugt. "Gute Leute verließen ersatzlos das Haus. Die Liquidität verschlechterte sich, Lieferanten gingen auf Vorauskasse." Nach starken Umsatzeinbußen 2018 sei es gelungen, 70 Stellen einzusparen, ohne Leute zu kündigen.

Wolong habe jedoch tatenlos zugesehen. "Es hätte Investitionen gebraucht, um in Österreich konkurrenzfähig zu bleiben. Aber man ging keinen Millimeter auf uns zu. Und jetzt heißt es: Friss oder stirb."

Wenig Chancen auf neue Jobs

ATB stellt in Spielberg Elektromotoren für die Industrie her, sie treiben Rasenmäher und Hochdruckreiniger ebenso an wie Windräder. Die Zeiten, in denen auf Akkord gearbeitet wurde, sind vorbei. Das Werk ist auf kleine Losgrößen und kundenspezifische Lösungen spezialisiert.

Die Chancen auf neue Jobs sind in der Region gering. Die Obersteiermark ist mit Arbeitsplätzen nicht gerade gesegnet, viele Junge wandern nach Graz und Wien ab. Leitner: "Die Region droht zu einem Friedhof zu werden, wenn kleine Industrie systematisch ausradiert wird." (Verena Kainrath, 31.7.2020)