Der Unternehmer Marian Kočner (Mitte) soll den Mord am Journalisten Ján Kuciak bestellt haben.

Foto: Vaclav Salek via www.imago-images.de

Über den Tathergang selbst hat man wohl mehr erfahren, als es für die Hinterbliebenen erträglich ist. Bereits Anfang dieses Jahres hat der Todesschütze, der ehemalige Soldat Miroslav M., ein umfassendes Geständnis abgelegt: darüber, wie er im Februar 2018 zum Haus des jungen Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak im westslowakischen Veľká Mača gefahren ist; wie er an die Türe geklopft, wie Kuciak ihm geöffnet, wie er diesem sofort in die Brust geschossen hat; und wie dann auch noch dessen Verlobte Martina Kušnírová sterben musste, eine ungeliebte Zeugin, zur falschen Zeit am falschen Ort.

Nur Indizien

Im April wurde Miroslav M. als Auftragsmörder zu 23 Jahren Haft verurteilt. Der Prozess gegen die mutmaßlichen Drahtzieher jedoch gestaltete sich ungleich schwieriger. Hier nämlich gibt es kein Geständnis und auch keine direkten Beweise. Der Staatsanwalt präsentierte lediglich eine Indizienkette, die seiner Meinung nach aber ausreicht für Schuldsprüche gegen die drei verbliebenen Angeklagten. Vorige Woche hielten er und die Verteidigung ihre Schlussplädoyers, für Mittwoch wurde das Urteil erwartet.

Am Dienstag um 16:30 Uhr wurde die Urteilsverkündung jedoch unerwartet verschoben. Die Senatsvorsitzende Ruzena Sabova habe diesen Schritt beschlossen, da eine Fortsetzung der Beratung des dreiköpfigen Senats notwendig sei, so eine Sprecherin. Als neuer Termin für die Urteilsverkündung wurde der 3. September bestimmt.

Im Mittelpunkt steht der Hauptangeklagte Marian Kočner, 57 Jahre alt und in der Slowakei bereits vor den Mordermittlungen kein unbeschriebenes Blatt. Der umstrittene Unternehmer, tätig vor allem im Investment- und Immobilienbereich, galt als politisch bestens vernetzt und wurde bereits mit zahlreichen anderen Causen und dubiosen Finanztransaktionen in Verbindung gebracht – Affären, über die auch Ján Kuciak berichtete.

Kuciak arbeitete als Investigativjournalist für das Onlinemagazin aktuality.sk. Dass er dabei auch Kočner im Visier seiner Recherchen hatte, sei ihm laut Staatsanwaltschaft schließlich zum Verhängnis geworden. So hatte Kočner Kuciak telefonisch damit gedroht, sich ihm und seiner Familie "widmen" zu wollen. Der Journalist hatte damals sogar Anzeige erstattet – ohne Ergebnis. Ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter sagte zudem 2018 als Zeuge aus, er habe Kuciak im Auftrag von Kočner beschattet.

Chats am Handy

Eine zentrale Rolle bei den Ermittlungen spielten auch Kočners verschlüsselte Handy-Chats, die von der Polizei dechiffriert werden konnten. An dieser Stelle kommt Kočners Mitangeklagte Alena Z. ins Spiel, eine Italienisch-Dolmetscherin mit persönlichen Beziehungen in höchste politische Kreise. Sie soll emotional und finanziell von Kočner abhängig gewesen sein und wird beschuldigt, den Mordauftrag weitergegeben zu haben.

Neben der technischen Verschlüsselung dürften Kočner und Z. sich in ihren Chats auch um eine verklausulierte Sprache bemüht haben. Einen direkten Beweis für den Mordauftrag fanden die Ermittler jedenfalls auch hier nicht. Allerdings wiesen sie auf die ihrer Ansicht nach impliziten Zusammenhänge zwischen den Chat-Einträgen und anderen Ermittlungsergebnissen hin, etwa was die Verabredung von Treffen oder eine mutmaßliche Geldübergabe betrifft.

Alle drei Angeklagten, also Marian Kočner, Alena Z. sowie Tomáš S., ein ehemaliger Polizist, der den Todesschützen zum Tatort gefahren haben soll, erklärten sich im nun zu Ende gehenden Mordprozess für nicht schuldig. Die Handy-Chats bezeichneten Kočner und Z. als manipuliert. Kočners Verteidiger sprach zudem von einer Vorverurteilung seines Mandanten, ausgelöst durch intensive Medienberichterstattung.

Politisches Erdbeben

Belastet wurden die Angeklagten aber durch die Aussagen des bereits als Schützen verurteilten Miroslav M. sowie eines Mittelsmanns namens Zoltán A. Dieser soll das Bindeglied zwischen der Kočner-Vertrauten Z. und den Ausführenden gewesen sein und hatte sich auf eine Kronzeugenregelung mit der Staatsanwaltschaft eingelassen. A. wurde auf dieser Basis bereits zu 15 Jahren Haft verurteilt, die verbleibenden Angeklagten bestritten die Anschuldigungen jedoch weiterhin.

Der Doppelmord hatte in der Slowakei ein politisches Erdbeben ausgelöst. Die Ermittlungen brachten einen Filz von politischer Macht und Geschäftemacherei ans Licht, die Folge waren die größten Massendemonstrationen seit der Wende des Jahres 1989. Der damalige Premier Robert Fico von der linkspopulistischen Partei Smer trat zurück, bei der Parlamentswahl diesen Februar stürzte die lange Zeit dominierende Smer ab und verabschiedete sich in die Opposition.

Sollte Marian Kočner freigesprochen werden, dürfte er dennoch nicht so rasch aus dem Gefängnis kommen: Er wurde im Februar – nicht rechtskräftig – wegen Wechselbetrugs zu 19 Jahren Haft verurteilt. (Gerald Schubert, 3.8.2020)