Der Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma wurde in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz mit einer Kranzniederlegung begangen.

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Bonn/Warschau – In vielen europäischen Staaten ist am Sonntag an die Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma während der NS-Zeit erinnert worden. 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, des Holocaust sowie der Befreiung der Konzentrations- und Vernichtungslager besuchten hochrangige Vertreter aus Politik und Religion gemeinsam die KZ-Gedenkstätte Auschwitz, wie Kathpress berichtete.

Der vom Europäischen Parlament vor fünf Jahren zum Europäischen Roma-Holocaust-Gedenktag erklärte 2. August erinnert an die letzten 4.300 Sinti und Roma, die in dieser Nacht in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau ermordet wurden. Insgesamt starben in Auschwitz über 20.000 Sinti und Roma; insgesamt wurden im NS-besetzten Europa mehr als 500.000 Sinti und Roma Opfer des Holocaust. Von den knapp 11.000 österreichischen Roma und Sinti überlebten nur knapp zehn Prozent den Holocaust, der auf Romani als "Porajmos" bezeichnet wird. Erst 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Genozid vom Europäischen Parlament im April 2015 anerkannt und der 2. August zum internationalen "Roma Genocide Memorial Day" aufgerufen.

Gedenken in Wien mit Kritik an FPÖ

Aufrufe, hinsichtlich Rassismus gegen Roma und Sinti wachsam zu sein, haben auch den am Sonntag in Wien begangenen Gedenktag bestimmt. Auch heute sei noch mehr Bewusstsein in der Zivilgesellschaft über die Situation der Volksgruppe notwendig, forderte die Leiterin der Romapastoral der Diözese Eisenstadt, Manuela Horvath, bei der Veranstaltung am Ceija-Stojka-Platz in Wien-Josefstadt. "Antiziganismus und Romafeindlichkeit sind Themen unserer Gegenwart", betonte sie. Jeder Einzelne wie auch im Besonderen Politiker sollten bei rassistischen Vorfällen die Stimme erheben und "hinter uns stehen".

Trotz der schrecklichen Ereignisse sei es bisher nicht immer gelungen, Lehren aus der Vergangenheit für die Gegenwart und Zukunft zu ziehen, bedauerte die selbst aus der Roma-Volksgruppe stammende Theologin. Sie verwies auf ein derzeit in staatsanwaltlicher Prüfung befindliches Video mit Hassaussagen gegen Roma und Sinti, die ein steirischer FPÖ-Mandatar im Internet geteilt hatte, und Beschmierungen wie etwa "Roma raus".

Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch hat den steirischen FPÖ-Vizeklubobmann Stefan Hermann wegen Verdachts der Verhetzung bei der Staatsanwaltschaft Graz angezeigt. Die Sachverhaltsdarstellung bezieht sich auf ein von ihm geteiltes Video auf Facebook, bei dem es sich laut SOS Mitmensch um ein "Anti-Roma-Hassvideo" handle. Darin seien "wüste Beschimpfungen gegen Roma und Sinti" zu sehen. Christian Kroschl von der Staatsanwaltschaft bestätigte am Mittwoch, dass die Sachverhaltsdarstellung eingelangt ist. Diese werde nun geprüft, allerdings betonte er, dass vorerst noch kein Verfahren eingeleitet wurde. Ob das passiert, sei derzeit noch offen. Seitens der FPÖ Steiermark hieß es, dass die "Anpatzversuche von Linksaußen-NGO SOS Mitmensch nicht ernst zu nehmen" seien.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen erklärte in einer Videobotschaft, er sei "sehr froh", dass das Gedenken trotz Covid-19 stattfinde und somit auch heuer die Erinnerung an den Völkermord als das "schrecklichste Verbrechen in der Geschichte der Menschheit" wachgehalten werde. Dies sei man den Opfern, den Überlebenden und auch den Nachkommen schuldig. Der Blick auf die konkreten Schicksale im KZ Auschwitz führe die "Unverständlichkeit des Rassenwahnsinns der Nazis offen vor Augen", so Van der Bellen.

Lange Zeit sei das Schicksal der Roma und Sinti "verdrängt, verschwiegen und vergessen" worden, fuhr der Bundespräsident fort. Auch heute noch sei ihre Kultur "mit Klischees und Vorurteilen belastet". Die Zeitzeugen unter den Roma und Sinti, die aus der NS-Zeit berichten könnten, würden heute immer weniger. Zugleich steige jedoch das Interesse der Menschen, Gerechtigkeit für die Opfer zu suchen; so würden Denkmäler errichtet oder fehlende Roma-Dörfer wieder aufgebaut. Das Gedenken sehe er auch als Auftrag der Gestaltung von Gegenwart und Zukunft: "Wir müssen dafür sorgen, dass Menschenverachtung, Sündenbock, Hass und Gewalt nie wieder als politische Instrumente eingesetzt werden", unterstrich Van der Bellen.

Im Rahmen des von zahlreichen Kunstperformances begleiteten Gedenkens in der Wiener Josefstadt gab es auch eine Schweigeminute für die Genozid-Opfer und Ansprachen unter anderem von Wiens Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) und der Bezirksrätin von Wien-Innere Stadt, Mireille Ngosso (SPÖ). Die für Kultus- und Volksgruppenangelegenheiten zuständige Ministerin Susanne Raab (ÖVP) meldete sich mit einer Videobotschaft zu Wort. (red, APA, 2.8.2020)