Kreuzfahrtschiffe der Aida-Reederei liegen aufgrund der Corona-Krise im Hamburger Hafen fest. Daran wird sich so rasch auch nichts ändern.

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Oslo, Rom, Düsseldorf, New York – Jahrelang ging es für die Kreuzfahrtindustrie nur nach oben – keinerlei Kritik oder Skandale schienen den Boom bremsen zu können. Dann kam die Corona-Krise, und plötzlich stand der Branche das Wasser bis zum Hals. Selbst bei Optimisten dürfte aufgrund neuer Fälle die Zuversicht auf ein rasches Comeback verflogen sein.

Wie es um die Branche bestellt ist, lässt sich an den Aktien der Marktführer Carnival, Royal Caribbean und Norwegian Cruise Line ablesen. Die Kurse sind seit Jahresbeginn um 65 bis 75 Prozent gefallen, was die Börsenwerte um viele Milliarden Dollar einbrechen ließ. Angesichts der Geschäftsentwicklung ist die große Skepsis vieler Anleger wenig verwunderlich. Carnival etwa schrieb im zweiten Quartal einen Verlust von enormen 4,4 Milliarden Dollar (3,9 Milliarden Euro). Die Konkurrenz ist ebenfalls tief in die roten Zahlen geraten.

Hart getroffen

Die Corona-Pandemie hat die Konzerne gleich in mehrerer Hinsicht hart getroffen. Durch die weltweiten Lockdown-Maßnahmen zur Eindämmung des Virus kam das Geschäft komplett zum Erliegen, dadurch stehen hohen Fixkosten plötzlich so gut wie keine Einnahmen mehr gegenüber. Doch die Probleme gehen darüber hinaus. Die Virusausbrüche an Bord der Diamond Princess und anderer Schiffe wie der MS Westerdam, die auf der Suche nach Anlegemöglichkeiten wochenlang auf hoher See herumirrte, kratzen am Image der ohnehin umstrittenen Branche.

Ob Steuer- und Umweltsünden, Ausbeutung von Niedriglohnarbeitern oder mangelnde Sicherheit – Vorwürfe gibt es viele. Kreuzfahrten gelten inzwischen zudem als Inbegriff des Übertourismus, dessen Folgen immer kritischer bewertet werden. Denn die großen Schiffe fluten Urlaubsgebiete mit Massen an Besuchern, die zwar alles sehen wollen, aber wenig ausgeben. Verpflegung und Unterhaltung an Bord sind ja schon im Preis mit drin.

Neustart abgesagt

Dennoch wollten einige Anbieter einen Neustart wagen – zumindest mit Mini-Kreuzfahrten. So plante die Kreuzfahrtreederei Aida Cruises einen Neustart nach der Zwangspause mit ebensolchen auf der Ostsee (ohne Landgänge). Dies hätten in der ersten Augusthälfte stattfinden sollen – doch daraus wird nichts: Entgegen den Erwartungen des Unternehmens stehe eine letzte formale Freigabe für den Start der Kurzreisen ab 5. August durch den Flaggenstaat Italien noch aus, teilte Aida mit.

Für Aida Cruises ist dies ein herber Rückschlag. Für den Neustart seien umfassende Konzepte entwickelt und alle erhöhten Hygienestandards sowie Maßnahmen zum Schutz vor Covid-19 an Bord der Schiffe umgesetzt worden.

Abgesagt wurden die Kurzreisen mit der Aidaperla ab/bis Hamburg vom 5. bis 8. August, vom 8. bis 12. August und vom 12. bis 15. August. Betroffen ist demnach auch die Kurzkreuzfahrt mit der Aidamar ab/bis Warnemünde vom 12. bis 16. August. Bei den geplanten Fahrten ab dem 16. August geht Aida davon aus, dass sie stattfinden können, wie ein Sprecher. Für den Neustart hatte Aida 750 Besatzungsmitglieder aus Asien am 22. Juli mit drei Flugzeugen eingeflogen. Corona-Tests nach der Landung ergaben elf Infizierte, die in der Folge isoliert wurden.

Zahl der Fälle nimmt wieder zu

Noch schlimmer erwischte es Hurtigruten: Die norwegische Kreuzfahrtreederei stoppt nach dem Ausbruch von Covid-19 auf einem ihrer Schiffe bis auf Weiteres alle sogenannten Expeditionskreuzfahrten. Mindestens 40 Passagiere und Crewmitglieder der "Roald Amundsen" waren positiv auf das Virus getestet worden. Hunderte weitere warten noch auf ihre Testergebnisse.

Am Freitag waren vier Besatzungsmitglieder der MS Roald Amundsen ins Krankenhaus eingeliefert worden, bei ihnen wurde später die neuartige Lungenkrankheit festgestellt. Tests ergaben, dass sich weitere 32 der 158 Mitarbeiter ebenfalls infiziert hatten. Von den infizierten Besatzungsmitgliedern stammen 32 von den Philippinen, die übrigen sind norwegischer, französischer und deutscher Nationalität. Ausländische Besatzungsmitglieder wurden nach Unternehmensangaben zwar vor dem Verlassen ihres Heimatlandes auf das Coronavirus getestet. In Norwegen seien sie jedoch nicht erneut getestet und vor Beginn der Arbeit auf dem Schiff nicht unter Quarantäne gestellt worden, teilte Hurtigruten mit. Das Norwegische Institut für Volksgesundheit und die Gemeinde Tromsö teilten mit, das Virus sei bisher bei vier der insgesamt 387 Passagiere festgestellt worden, die seit Mitte Juli auf dem Schiff auf zwei getrennten Kreuzfahrten unterwegs waren.

"Eine vorläufige Auswertung zeigt einen Zusammenbruch in mehreren unserer internen Verfahren", erklärte Vorstandschef Daniel Skjeldam und fügte hinzu: "Unser eigenes Versagen sowie der jüngste Anstieg der Infektionen auf internationaler Ebene hat uns dazu veranlasst, alle Expeditionskreuzfahrten in norwegischen und internationalen Gewässern einzustellen." Die MS Roald Amundsen sollte im September die Britischen Inseln umsegeln und in Häfen in England und Schottland anlegen.

Neue Schwierigkeiten

Auch die italienische Kreuzfahrtindustrie, die auf einen baldigen Neustart nach mehreren Monaten Stillstand hoffte, ist mit neuen Schwierigkeiten konfrontiert. Drei Crewmitglieder an Bord der Schiffe Costa Deliziosa und Costa Favolosa, die sich im Hafen der Stadt Civitavecchia nördlich von Rom befinden, sind positiv auf Covid-19 getestet worden.

Die Reederei Costa Crociere, Betreiberin der Schiffe, verfolge die Entwicklung und sei in engem Kontakt mit den Gesundheitsbehörden, hieß es in einer Aussendung der Kreuzfahrtgesellschaft. Die drei Infizierten seien unter Quarantäne und in guter Verfassung. Die Reederei halte sich streng an die Sicherheitsprotokolle. An Bord der beiden Schiffe befinden sich zurzeit keine Passagiere, sondern nur einige hundert Crewmitglieder.

Costa Crociere hat seine Kreuzfahrten bis 15. August ausgesetzt. Zudem wurden für die ganze Sommersaison Kreuzfahrten in Nordeuropa abgesagt. Die Gesellschaft arbeite mit den Behörden an der Entwicklung von Gesundheitsprotokollen für einen schrittweisen Neustart der Kreuzfahrten sobald wie möglich, teilte das Unternehmen mit.

In Italien gibt es 39 Kreuzfahrthäfen. Jener mit den meisten Passagiere war vor Beginn der Pandemie der Hafen von Civitavecchia mit rund 2,5 Millionen Passagieren pro Jahr, gefolgt von Venedig mit 1,5 Millionen Passagieren.

Passagiere sollen für Tests zahlen

Der Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR) in Deutschland wiederum spricht sich angesichts der Corona-Infektionen auf Kreuzfahrtschiffen für eine allgemeine Testpflicht aus. "Es sollte für den Kreuzfahrtgast eine Testpflicht vor dem Antritt der Reise geben", sagte Vorsitzende Marija Linnhoff in der "Rheinischen Post" vom Montag.

Die Kosten sollten von den Gästen selbst getragen werden: Wer sich eine Kreuzfahrt leisten könne, könne sich auch einen Test leisten, erklärt Linnhoff. Der Verband fordert zudem einen verpflichtenden Corona-Test für Urlaubsrückkehrer, "egal in welcher Region sie waren", wie die Vorsitzende des Verbands sagte.

Unterdessen hat die US-Seuchenbehörde CDC das Verbot für Kreuzfahrtschiffe verlängert. Die Maßnahme solle nun bis Ende September gelten, teilt die CDC mit. Mitte März hatte die Behörde das Auslaufen der Touristenschiffe zunächst bis zum 24. Juli untersagt. (APA, Reuters, dpa, max, 4.8.2020)