The Psychedelic Furs veröffentlichen nach fast drei Jahrzehnten ein neues Album: Made of Rain.

Foto: Matthew Reeve / Cooking Vinyl

Sollte Richard Butler dereinst im Himmel Elvis über den Weg laufen, könnte es hässlich werden. Butler eröffnet das neue Album seiner Band The Psychedelic Furs nämlich mit den Zeilen "I am the boy that invented Rock ’n’ Roll". Diese Behauptung könnte Elvis als Anmaßung wahrnehmen, schließlich weiß der als König des Fachs Installierte, dass es die schwarzen Jungs aus seiner Nachbarschaft waren, die diese Revolution entfachten. Aber natürlich weiß das auch Butler.

Doch als alter Punk muss er ein wenig provozieren. Vor allem, wenn man so lange weg war wie The Psychedelic Furs. Die 1977 in London gegründete Band hat fast 30 Jahre lang kein Album veröffentlicht: Nun erschien Made of Rain.

Von den Sex Pistols ...

Immerhin war die Gruppe um die Brüder Richard und Tim Butler im Konzertzirkus aktiv. Da hält sie sich seit vielen Jahren erfolgreich mit einem Best-of-Set, doch irgendwann musste das langweilig werden – selbst wenn man zur Frischzellenkur ein paar Nebenprojekten nachging.

Die Furs, wie sie salopp genant werden, wurden 1977 von den Sex Pistols zum Punk verführt. Als sie 1980 debütierten, war ihr Sound aber bereits Postpunk: düster, heavy, Sonnenbrillen in der Nacht, der Blick auf den Boden oder auf halbem Weg dorthin ins Bier gerichtet. Und mittendrin, vollkommen unpunkig, trötete ein Saxofon.

... zum lichtscheuen Postpunk

Das verhieß schon eine gewisse Offenheit. Und tatsächlich sollte sich die Band von der adoleszenten Koketterie mit der Düsternis rasch hin zu Klängen entwickeln, die sie dies- und jenseits des Atlantiks in die Charts brachte. Vor lichtscheuen Synthiesounds entwickelten sie bald leichtfüßige Dancerock-Hymnen, die in den Discos zwischen Los Angeles und Ostberlin Menschen mit schwarzgefärbten Haaren in die dünnen Tanzbeine fuhren.

Songs wie Here Come Comeboys, Heaven oder Heartbeat – alle vom 1984er-Album Mirror Moves – besaßen eine Affinität zu den damals prosperierenden New Romantics ebenso wie zu den stilsicheren Bilderstürmern von Roxy Music.

The Psychedelic Furs

Soundtrack-Beiträge wie für John Hughes Erfolgsfilm Pretty in Pink (1986) bescherten der Band neben einer Batterie Goldener Schallplatten eine ergebene globale Fangemeinde. Mehrere Nummer-eins-Hits in den USA später nahm die Band in den frühen 1990ern eine Auszeit, um aus der Routine von Album, Tour, Album, Tour rauszukommen. Als sie 2000 wieder anfing aufzutreten, nahm gerade ein Postpunk-Revival Fahrt auf, in dem prominente Vertreter wie Interpol zeigten, dass Psychedelic Furs zu ihren wesentlichen Einflüssen gehörten.

Rüstig in Schwarz

29 Jahre nach ihrem letzten Studioalbum erschien jetzt Made of Rain, mit der üblichen Corona-bedingen Verzögerung. Die Pressebilder zeigen rüstige Herren in Schwarz mit Sonnenbrillen. Das gehört zu den Furs wie die Sackhose zum Hip-Hop. Auch sonst hat die Band nichts verlernt. Der charismatische Gesang Butlers verleiht vor allem den im Midtempo anrollenden Songs ihre Überzeugungskraft.

The Psychedelic Furs

Zwar fehlen die geradeaus marschierenden Titel im Uptempo, aber Fans und die Band selbst zählen eher nicht mehr zum Club-Publikum. In seiner Rockstar-Freizeit malt Richard Butler heute lieber Bilder, als zu versuchen, sich an den Vorabend zu erinnern. Das schlägt sich in einem versöhnlichen Tonfall nieder, in Balladen wie Stars oder pädagogisch wertvollen Schleichern wie Hide the Medicine (from the kids). Da merkt man, was sich bei den alten Helden verändert hat.

Die Fangemeinde frohlockt. Die Band mit mindestens zwei Generationen von Anhängern kann ihr ewiges Greatest-Hits-Programm mit neuen Songs aufpeppen, die neben den alten nicht negativ auffallen. So catchy wie frühere Großtaten ist zwar kein Song. Andererseits zeigt einer wie No One, dass echt nicht viel gefehlt hat. (Karl Fluch, 4.8.2020)