Hält die aktuelle Verordnung zur Maskenpflicht juristisch stand?

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Intuitiv möchte man Rudolf Anschober heftig zunicken. Natürlich hat der grüne Gesundheitsminister richtig entschieden, bei steigenden Infektionszahlen die Maskenpflicht wiedereinzuführen. Selbstverständlich gehören Risikogruppen geschützt – vor allem dort, wo gefährdete Österreicherinnen und Österreicher regelmäßig hinmüssen: im Supermarkt, in Apotheken, beim Arzt. Es ist auch nachvollziehbar, dass die Regierung erst einmal abwartet, bevor sie den Mund-Nasen-Schutz in Schuhgeschäften und Boutiquen wieder verordnet. Die Versuchung, einfach bei Amazon zu bestellen, anstatt mit der luftraubenden Maske zu shoppen, ist groß – und auch der heimische Einzelhandel ist eine existenzbedrohte Gruppe.

Einige Grüne sind deshalb empört, dass Spitzenjuristen die aktuelle Masken-Verordnung rechtlich anzweifeln, wie DER STANDARD groß berichtet hatte. Der unterschwellige Vorwurf: Wegen juristischer Spitzfindigkeiten wird die gemeinsame Bekämpfung der Pandemie behindert. Zwei Corona-Verordnungen der türkis-grünen Regierung hat der Verfassungsgerichtshof bereits gekippt. Wird jetzt auch noch an den neuen Regeln herumgemäkelt, lasse die Disziplin im zweifelnden Volk immer mehr nach. Steht das etwa dafür?

Der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober.
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Nein, sagt womöglich das Bauchgefühl. Der Bauch ist aber auch ein schlechter Berater, wenn es um demokratiepolitische Fragen geht. Denn der nationale Schulterschluss gegen Corona kann nicht meinen, dass man über juristische Schlampereien der Regierung hinwegsieht. Da geht es nicht um Haarspalterei und rechtliche Pedanterie. Da geht es um unseren Rechtsstaat – insbesondere inmitten der Krise.

Musterfall

Man muss sich nur vorstellen, wie das wäre, wenn jetzt ein Präzedenzfall geschaffen wird: Sobald wir uns in einer kritischen Lage befinden und die Zeit drängt, nimmt man es eben nicht mehr ganz so genau, ob alles, was die Regierung anordnet, auch rechtlich gedeckt ist. Niemand unterstellt Gesundheitsminister Anschober, dass er nicht das Wohl der Bevölkerung im Sinne hätte. Er tritt sachlich auf, genießt hohe Beliebtheit, war in seiner langen Karriere nie korrumpierbar. Aber wir wissen in Österreich, wie schnell sich der Wind drehen kann. Wir hatten schon Populisten und Extreme an den Schalthebeln der Macht sitzen. Und die nächste Krise kommt bestimmt. Wenn Anschober jetzt den Musterfall liefert, wird man sich ewig darauf berufen können.

Der Österreicher ist gemeinhin recht harmoniebedürftig, aber nicht blöd. Es ist nicht jede juristische Diskussion gleich ein Expertenclinch und Gelehrtenstreit – auch wenn Medien das zugegeben gern behaupten. Jedenfalls muss sich durch fachliche Auseinandersetzungen sicher niemand davon abhalten lassen, beim Lebensmitteleinkauf eine Maske zu tragen. Probleme entstehen hingegen, wenn die Fachwelt zu wenig eingebunden wird: Eine vom Höchstgericht aufgehobene Verordnung beschädigt das Vertrauen in die Politik ohne Zweifel.

Auch die Rechtsexperten haben nie behauptet, dass eine neuerliche Maskenpflicht nicht richtig sei. Sie haben lediglich rechtliche Bedenken angemeldet. Die Regierung will das Covid-Gesetz nun überarbeiten und künftig mehr juristische Expertise einholen. Das ist der richtige Weg. So kann die Pandemie auf allen Ebenen sauber bekämpft werden. Denn eine der schlimmsten Seuchen ist staatliche Willkür. (Katharina Mittelstaedt, 3.8.2020)