Juan Carlos war die Lichtgestalt der spanischen Monarchenfamilie, doch das Image hat er gründlich verspielt. Sein Sohn Felipe wurde nie richtig populär.
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Spanien hat ein Problem: Die Staatsform, die sich das Land 1975 nach dem Tod des Diktators Francisco Franco gegeben hat, gerät ins Wanken. Die fluchtartige Wohnsitzverlegung von Alt-König Juan Carlos I. (Amtszeit 1975–2014) ins Ausland könnte weitreichende Folgen haben. Denn Spanien ist nicht mehrheitlich monarchistisch: Viele Spanier akzeptierten die Monarchie nur, weil sie Respekt vor Juan Carlos I. hatten.

Er galt ihnen als effektiver Staatschef, als volksnah und anständig. Sie waren "juancarlistas", wie dies in Spanien hieß. Doch nach zahlreichen Skandalen und jetzt gar noch Ermittlungen in der Schweiz und in Spanien wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung ist es vorbei mit dem guten Image. "Juancarlista" zu sein fällt alles andere als leicht.

Wer kein Monarchist ist, denkt um. Zumal Sohn Felipe VI. nie die Beliebtheit erreichte, die sein Vater hatte. Zu steif, zu fern vom Volk ist er. Anders als bei seinem Vater, der als einer der Architekten des demokratischen Spanien gilt, sucht man bei ihm vergeblich nach großen Leistungen, die jemanden "felipista" werden lassen könnten, wenn er schon kein Monarchist ist.

Chance nicht genützt

Felipe hatte genau eine Chance, und die hat er vertan. Als er nach dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien zur Aussöhnung und Besonnenheit hätte aufrufen können, redete er den Hardlinern das Wort, half, die Katalanen zu verteufeln. Er verzichtete darauf, eigene nachhaltige Akzente zu setzen, die den Spaniern in Erinnerung bleiben würden.

Außerdem sind immer mehr Spanier in der Demokratie geboren und aufgewachsen. Das Mantra, dass das System, so wie es nach 1975 entstand, das einzig mögliche und einzig stabile sei, zieht nicht mehr. Die wenigen Umfragen, die es gibt, zeigen, dass mittlerweile mindestens die Hälfte der Spanier dafür ist, den Staatschef selbst zu wählen. Eindeutiger Vorteil wäre: Ist er korrupt, kann er aus dem Amt gewählt und vor Gericht gestellt werden. Die Spanier müssten dann nicht warten, bis er so gütig ist und geht. (Reiner Wandler, 4.8.2020)