"Addendum" wird eingestellt, 57 Mitarbeiter sind betroffen. Sie wurden beim AMS zur Kündigung angemeldet.

Foto: screenshot, addendum

Bild nicht mehr verfügbar.

Dietrich Mateschitz sah die Zielvorstellungen nicht erfüllt

Foto: Reuters, LISI NIESNER

Dietrich Mateschitz stellt die Rechercheplattform "Addendum" ein. Der Red-Bull-Chef sowie Quo-Vadis-Veritas-Geschäftsführer Michael Fleischhacker seien "nach eingehender, von wechselseitiger Wertschätzung geprägter Diskussion" zum einvernehmlichen "Entschluss gekommen, die Aktivitäten der Stiftung und die Rechercheplattform 'Addendum' einzustellen", teilte Red Bull am Dienstag mit.

Das Aus nach drei Jahren kommt überraschend. Noch am Dienstag ging eine Aufdeckerstory über geheime Großaufträge der Republik online. Selbst in den oberen Etagen des Medienhauses soll vor einer Woche keiner vom plötzlichen Ende gewusst haben.

Zielsetzungen nicht erfüllt

Als Grund gibt Red Bull an, dass es "trotz erheblichen Mitteleinsatzes und einer Reihe erfolgreicher und relevanter Rechercheprojekte" nicht gelungen sei, "die Zielsetzungen der Stiftung in ausreichendem Maß zu erfüllen". Mateschitz beabsichtige, die von ihm unterstützten journalistischen Aktivitäten "stärker auf lösungsorientierte Projekte jenseits der politischen Alltagsauseinandersetzungen zu konzentrieren", heißt es in der Aussendung. An die Anforderung soll er etwa auch Servus TV erinnert haben.

Nicht zum ersten Mal soll Mateschitz den Fortbestand von "Addendum" ernsthaft infrage gestellt haben. Schon vor rund einem Jahr kamen entsprechende Informationen aus dem eigens für "Addendum" gestalteten Redaktions- und Studiogebäude in der Wiener Siebensterngasse. Damals konnte Fleischhacker den Red-Bull-Boss offenkundig davon abbringen.

Grundmantra im Konzern

Nun verweist man in der "Addendum"-Mannschaft auf ein Grundmantra des Red-Bull-Konzerns und seiner Medienaktivitäten: "Die Dose gibt's, die Dose nimmt's." 57 Mitarbeiter sind laut APA zur Kündigung angemeldet.

Einstellungsgerüchte kursierten schon seit längerem. Schon bei Servus TV zeigte sich Mateschitz als ein Mann der schnellen Entscheidungen. Als ein Betriebsrat gegründet werden sollte, drehte er den Sender kurzerhand ab – um die Drohung mit dem Ende schon am Tag danach zurückzunehmen, als das Thema vom Tisch war.

Das wöchentliche "Addendum"-Fernsehmagazin "Factum" auf Servus TV wurde 2019 schon nach vier Monaten wieder eingestellt. Damals war von Lösungsorientierung noch nicht viel zu hören. Das Ende von "Factum" erklärte man damit, dass ein wöchentliches TV-Magazin im inneren Widerspruch zum Grundauftrag der Stiftung stehe, "nämlich strukturellen Fragen in langfristigen, aufwendigen Recherchen auf den Grund zu gehen".

Der ständigen Möglichkeit der Einstellung war sich auch "Addendum"-Chef Fleischhacker bewusst, als er 2018 zum STANDARD sagte: "Ein Stifter hat jederzeit die Möglichkeit, seine Stiftung zu widerrufen, und er braucht das nicht einmal groß zu begründen." Ob Fleischhacker weiterhin die Diskussionssendung "Talk im Hangar 7" moderieren wird, ist unklar. DER STANDARD wartet auf einen Rückruf.

Medienstrategien bei Red Bull

Das "Manager Magazin" berichtete zuletzt, Mateschitz sei dabei, seine Medienaktivitäten und ihr Eigenleben "massiv zu beschneiden". Die Bestellung des Marketingchefs von Red Bull, Marcus Weber, zum Chef der Medienaktivitäten gleiche "einer Abwicklung", schrieb das Magazin. Die Personalie bestätigte jedenfalls die – auch vom STANDARD berichtete – Tendenz, die Red-Bull-Medienaktivitäten wieder stärker auf das Marketing der Konzernprodukte zu konzentrieren.

Servus TV wurde 2019 aus der Vermarktung des Red Bull Media House herausgelöst. Der Sender könnte in eine Stiftung ausgelagert werden, schrieb das "Manager Magazin". Derzeit gehört die Servus Medien GmbH laut Firmenbuch dem Red Bull Media House, das auch als Medieninhaber der Servus-Webseite geführt wird.

Fleischhacker Frontmann für neue Onlineplattform?

"Addendum"-Gründer Fleischhacker war schon Chefredakteur der "Presse" und Erfinder sowie Leiter des kurzlebigen Portals "NZZ Österreich" der Schweizer "Neuen Zürcher" (2015 bis 2017). Als ORF-Vorstandskandidat (damals von ÖVP und FPÖ) winkte er im Sommer 2018 im STANDARD-Interview noch ab: "Ich glaube, das wäre auch nichts für mich – und weder vernünftig noch realistisch." Damals argumentierte er auch damit, er wolle dem Projekt "Addendum" nicht schon wieder abhandenkommen, wenn der Mäzen ein solches Projekt längerfristig "großzügig" unterstütze.

Fleischhacker könnte ein aufmerksamkeitsstarker Frontman für eine neue Onlineplattform sein, wie sie in der VGN (früher: News-Gruppe) nach STANDARD-Infos jedenfalls vor der Corona-Krise überlegt wurde. Bei der VGN verneint man nun auf STANDARD-Anfrage die Möglichkeit einer solchen Konstellation aber sehr entschieden. (Harald Fidler, Doris Priesching, 4.8.2020)