Die Simulation der Oberflächentemperaturen in Wien an einem idealisierten Sommertag um 15 Uhr macht feinste Details sichtbar – Grünflächen wie Stadtpark und Donaukanal sind deutlich kühler.

Visualisierung: Zamg

In der Stadt ist der Klimaeffekt von Pflanzen besonders spürbar – weil er kaum vorhanden ist. Der Schatten der Bäume fehlt hier, genauso wie ihre kühlende Transpiration. Die versiegelten Flächen lassen keinen Gasaustausch zwischen Boden und Atmosphäre zu. Beton und Asphalt speichern Hitze, Bauwerke schränken eine großräumige Luftzirkulation ein.

Der Klimawandel macht klar, dass die Städte der Gegenwart nicht für die Zukunft gebaut sind – Forscher prognostizierten für Wien sommerliche Maximaltemperaturen, die um bis zu 7,6 Grad höher liegen als 1850, was dem Klima im heutigen Skopje entspricht.

Gefordert sind neue Arten der Planung, neue Materialien und Techniken. Die Pflanzen, die man verbannt hat, sollen hier im großen Stil wieder zurückkommen.

Zehn-Meter-Auflösung

Die Stadtplanung in Zeiten der Erderwärmung stellt auch Klimaforscher vor Herausforderungen. Sie brauchen geeignete Daten und spezialisierte Modellierungsansätze, um in die klimatischen Bedingungen in Straßen und Stadtteilen "hineinzoomen" zu können und den Einsatz von Fassadenbegrünung, Beschattung, Windzirkulation und vielen anderen Aspekten besser planbar zu machen.

An der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg), einer Forschungsstelle des Wissenschaftsministeriums, wird das Stadtklima bereits seit 2010 mit hochauflösenden Modellen simuliert, die selbst sehr kleinräumige Phänomene abbilden können. Während man in den vergangenen Jahren mit einem 100-Meter-Raster arbeitete, wird nun ein Modell mit Zehn-Meter-Auflösung adaptiert.

Bewegungen der Schatten

"Mit der neuen Auflösung sind auf den ersten Blick die genaue Gebäudestruktur sowie unterschiedliche Oberflächenmaterialien erkennbar, und man kann nun beispielsweise verfolgen, wie sich die Schatten im Tagesverlauf bewegen", beschreibt Maja Žuvela-Aloise, die die Fachabteilung Stadtmodellierung der Zamg leitet, die neuen Möglichkeiten.

"Gleichzeitig kann auch die Turbulenz, also Luftwirbel, die sich innerhalb der Stadtstrukturen entwickeln, physikalisch erfasst werden." Die Physik dieser Phänomene wird in der Simulation also tatsächlich mathematisch abgebildet.

In Auflösungen, die nicht engmaschig genug sind, werden sie dagegen parametrisiert – es findet also nur eine Abschätzung ihrer Effekte im Rahmen der Gitternetzgröße Eingang.

Lokale Daten aller Art

Wie die bisherigen entspringen auch die neuen Modellierungen der Zamg einer Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst. Die Auflösung im Meterbereich wird durch eine Adaptierung des Stadtklimamodells Palm-4U möglich, das von deutschen Forschungsinstituten entwickelt wurde.

Zum Rechengerüst braucht es eine Vielzahl lokaler Daten für die zu simulierende Stadt. "Jede Information zu Bebauung und Landnutzung ist interessant. Basis dafür sind sowohl Verwaltungsdaten der Stadt als auch Satellitenaufnahmen", sagt Žuvela-Aloise.

Vom Besiedlungsgrad bis zur Baumgeometrie, vom Wärmeleitungskoeffizient der Bauten bis zur Reflexionsfähigkeit der Dächer werden vielfältige Daten dem Modell einverleibt. Dazu kommen noch meteorologische Daten von Messstationen.

Diese Simulation zeigt die vertikale Schichtung der potenziellen Temperatur im innerstädtischen Bereich von Wien an einem idealisierten Sommertag um 12 Uhr. Dabei wird die – u.a. auch von Windverhältnissen beeinflusste – turbulente Abstrahlung der Wärme nach oben sichtbar.

Ein erster Testlauf des Modells anhand eines "idealisierten Sommertags" in Wien zeigt etwa, wie sich der Rathausplatz nach Sonnenaufgang kontinuierlich erwärmt und die Oberflächentemperaturen mit zunehmender Beschattung wieder abnehmen. An der Westseite des Stephansplatzes reagieren die Temperaturen dank des Gebäudeschattens nur verzögert auf die Einstrahlung. Die Tagestemperaturkurven in Innenhöfen oder Parkanlagen bleiben dagegen generell viel flacher.

Natürlich gibt es nicht alle zehn Meter eine meteorologische Messstation, mit deren Daten das Modell gefüttert und evaluiert werden kann. Um das Problem zu lösen, steht neben einer Verdichtung des Messnetzes und einer Adaptierung von Satellitendaten, aus denen Oberflächen-, aber nicht Lufttemperaturen hervorgehen, auch die Nutzung von Daten von Amateurmessstationen zur Debatte.

In einer Studie von Žuvela-Aloise mit Kollegen von Zamg, Uni Graz und Uni Wien konnte gezeigt werden, dass die Nutzung der "citizien wheater stations" – nach einer entsprechenden Qualitätskontrolle der Daten – durchaus Vorteile bringt.

Langfristige Klimarisiken

Für die Bewertung der langfristigen Klimarisiken einer Stadtregion braucht es neben den physikalischen Modellen noch weitere Zutaten. Im EU-Projekt Clarity werden die Vor-Ort-Daten mit einer Vielzahl an Klimaindizes, -szenarien und -modellierungen – unter anderem aus dem Erdbeobachtungsprogramm Copernicus – gebündelt, um Aussagen über das künftige Klima in Europas Städten zu treffen.

Denis Havlik, Tanja Tötzer und ihre Kollegen am Austrian Institute of Technology (AIT) entwickeln mit der Zamg, dem Unternehmen Smart Cities Consulting, der Stadt Linz und europäischen Partnern einen "Werkzeugkasten" für die Abschätzung von Klimawandelfolgen und Möglichkeiten, sie abzuschwächen.

"Mit unseren Tools und Verfahren kann man sich ein Bild davon machen, wie stark die Stadtbevölkerung von einer Hitzewelle betroffen ist oder mit welchen finanziellen Folgen ein Hochwasser verbunden ist", sagt Projektleiter Havlik.

In vertiefenden Expertenstudien, wie sie exemplarisch für Linz gemacht wurden, nutzen die Entwickler etwa 3D-Gebäudedaten und Baumkataster, um auch kleinräumige Wirkungen von Klimawandelanpassungsmaßnahmen wie Bodenentsiegelung, Begrünung auf Boden, Fassaden und Dächern und das Pflanzen von Bäumen darstellen zu können.

Durchlüftung und Begrünung

Hier kommen auch Klimamodelle mit 100-Meter-Raster, denen Palm-4U nachfolgen wird, zum Einsatz. Berechnungen zeigen: Die Durchschnittszahl an Hitzetagen mit Maxima über 30 Grad werde sich in Linz von 2021 bis 2050 gegenüber dem Zeitraum von 1971 bis 2000 von zehn auf 25 Tage, die Zahl der Tropennächte mit Minima über 20 Grad von 18 auf 34 erhöhen.

"In Linz stellt sich die Frage, wie eine großräumige Frischluftzufuhr gewährleistet werden kann", erläutert Tötzer eine der Problematiken. "Der Haselgraben im Norden der Stadt ist dafür besonders wichtig. Man muss hier also darauf achten, dass keine Hochhäuser die Durchlüftung behindern."

Punkto Begrünung zeigt sich, dass vergleichsweise kleine Maßnahmen lokal große Wirkungen haben können. Tötzer: "Der Vergleich des Ist-Zustandes mit einer möglichen Begrünung auf dem Linzer Hauptplatz zeigt, dass hier die mittlere Strahlungstemperatur um bis zu zwölf Grad Celsius reduziert werden kann." (Alois Pumhösel, 6.8.2020)