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Russell Crowe jagt in "Unhinged – Außer Kontrolle" eine zierliche Frau im Kombi.

Foto: AP

Den Corona-bedingten Stau in den US-Kinos hätte dieser Film eigentlich auflösen sollen. Doch deren Wiedereröffnung und damit die Veröffentlichung von Unhinged – Außer Kontrolle wurden erneut verschoben. Während es fraglich ist, ob er in den Vereinigten Staaten Ende August noch anlaufen wird, feierte Derrick Bortes Actionthriller fast überall sonst auf der Welt bereits früher Premiere.

Wie schon Bortes vorheriger Film spielt auch dieser hauptsächlich im Pkw und hat eine ähnliche Prämisse: Übergewichtiger Auto-Normalversager hat nichts mehr zu verlieren und löst eine Gewaltlawine aus. Anders als der passive Verzweiflungstäter im elegischen American Dreamer (2018) setzt der von Russell Crowe gespielte Brutalo in Unhinged die blutige Ereigniskette allerdings proaktiv in Gang.

Mörder mit dem Hammer

Die erste Szene schürt gewisse Erwartungen: Warum bricht der Protagonist in ein Haus ein und tötet dort Frau und Mann mit einem Hammer? Hat er gar wie der von Joaquin Phoenix verkörperte Killer in A Beautiful Day eine Mission oder ein Motiv, das über bloße Mordlust hinausgeht und wovon wir erst rückwirkend erfahren? Ist das Paar Teil eines Pädophilierings wie die Ermordeten in Lynne Ramsays Arthouse-Schocker von 2017 und Crowe Vollstrecker des Volkszorns? Nein, er hat wahrscheinlich nur seine Ex-Frau und ihren Neo-Hubby ermordet und begibt sich, nachdem er das Haus in Brand gesteckt hat, mit dem SUV auf die Straße.

Newsschnipselmontage

Darauf, die Taten des verstörten Loners auf Biegen und Brechen irgendwie doch als verständlich darzustellen (wie ein anderer Film mit Joaquin "Joker" Phoenix), lässt sich Unhinged nicht ein. Crowes Beweggründe bleiben vage und werden auch durch die anfängliche flotte Newsschnipselmontage rund um die tagtägliche Rage im Auto nicht klarer. Im Gegensatz zu Michael Douglas’ D-Fens in Falling Dawn (1993) wird er nicht zum Antihelden nobilitiert. Scheidung hier, verordnete Distanz vom Kind dort etc.: Die wenigsten, die ein ähnliches Schicksal ereilt, brechen zu einer Terrortour auf.

KinoCheck

Abgesehen hat es der Straßenkrieger im Zivilpanzer auf eine alleinerziehende Prekärjobberin (Caren Pistorius), die verschlafen hat und es deshalb eilig hat. So eilig, dass sie besonders hupfreudig ist. Genervt von Crowes pedantischem Beharren auf Höflichkeit im Verkehr, will sie sich nicht entschuldigen. Das reicht schon, um Zielscheibe des rabiaten Mannes zu werden.

Auf diesen relativ gängigen Typus, der schon durch viele Filme gewütet hat und einen unheilvollen Zusammenhang zwischen Weißsein, Männlichkeit und unbändigem Zorn unterstellt, packt Unhinged – immerhin Produkt der Trump-Ära – ein paar Kilos. Russell Crowe, ein Schauspielschwergewicht, ist hier von körperlich massiver Präsenz. Hauptsächlich sitzend jagt er als in Verruf geratenes Menschenmodell im ebenso in Verruf geratenen Automodell eine zierliche Frau samt Sohn im Kombi. Damit repräsentiert er eine beliebte Feindbildkombination, die sich mit viel Gratismut leicht kritisieren ließe – wofür sich der Film aber kaum interessiert.

Behäbiger Berserker

Denn es handelt sich nicht um das Psychogramm eines "toxischen" Mannes, sondern um eine Art Slasherfilm "on the road". Den mörderischen, unaufhaltsamen Subgenre-Stalkern ähnlich, stellt Crowes’ behäbiger Berserker dem "Final Girl" dank Handyortung ohne Ablass nach. Der Großteil des geradlinigen Roadragemovies entfaltet sich mit wenigen Stopps auf dem Highway, eine Hatz mit spektakulären Crashes und Morden. Das Ende ist kathartisch, Spannungsstau abführend, und die Moral von der Geschicht eher schal: Zu viel Hupen lohnt sich nicht. Im Kino (David Auer, 5.8.2020)