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In Negombo, im Westen von Sri Lanka, üben Wählerinnen das Corona-konforme Wählen. Die Wahlen wurden wegen der Pandemie bereits zweimal verschoben

Foto: Reuters / Dinuka Liyanawatte

Als Land mit einer der längsten demokratischen Traditionen in Südasien will Sri Lanka alles richtig machen. Zweimal sind die Wahlen bereits verschoben worden, immer wegen der Corona-Pandemie. Am Mittwoch ist es aber so weit: Knapp 16 Millionen registrierte Wähler und Wählerinnen sind auf der Insel dazu aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen.

Die Auflagen sind strikt: Wer wählen will, muss Maske tragen. Stifte werden nicht zur Verfügung gestellt, die müssen die Menschen selbst mitbringen. Und an den rund 13.000 Wahllokalen muss ein Meter Abstand eingehalten werden. Um das gut über die Bühne zu bringen, gab es bereits seit Mitte Juni Probeläufe, bei denen das Corona-konforme Wählen geübt wurde. Megawahlveranstaltungen der Spitzenkandidaten wichen kleineren Ansammlungen; der Wahlkampf hat sich noch stärker als bisher in die sozialen Medien verlagert.

Geopolitisch bedeutsam

Aber nicht nur was die Vorbildwirkung in Sachen Demokratie betrifft, blickt die Welt auf Sri Lanka. Geopolitisch nimmt es eine wichtige Position im Indischen Ozean ein. Ein großer Teil des weltweiten Ölhandels führt an der Insel an der Südspitze Indiens vorbei. Sri Lanka gilt daher als wichtiger Punkt entlang Chinas "Neuer Seidenstraße", einer langfristigen Strategie, global an Einfluss zu gewinnen.

Es war unter der Führung von Mahinda Rajapaksa, Präsident von 2005 bis 2015, dass sich das Land immer mehr an China orientierte: Unter seiner Führung baute China etwa den riesigen Tiefseehafen Hambantota. Tiefverschuldet musste ihn Sri Lanka schließlich an China abtreten. Eben jener Rajapaksa will nun mit seiner Sri Lanka Podujana Peramuna (SSLP) eine große Mehrheit im Parlament erlangen.

Seit November 2019 ist er bereits Interimspremier, eingesetzt von seinem Bruder Gotabaya, der damals mit großer Mehrheit zum Präsidenten gewählt wurde. Seitdem führt Mahinda eine Minderheitsregierung an. Alles deutet darauf hin, dass der Erfolg Gotabayas im November nun auch Mahinda zuteil wird und die Rajapaksas mit ihrer SLPP ihre Macht auch auf das Parlament erweitern können. Dabei sind die Rajapaksas alles andere als unumstritten. Präsident Gotabaya Rajapaksa hatte bereits im März das Parlament aufgelöst und Neuwahlen ausgerufen, doch Corona verhinderte deren Durchführung. Mehrere parlamentslose Wochen ließen Verfassungsjuristen um die Grundsätze der Demokratie im Land zittern.

Politik des starken Mannes

Gotabaya traf mit seiner Politik des "starken Mannes" den Nerv seiner Wählerschaft. Wenige Monate nach den verheerenden islamistischen Terroranschlägen auf Kirchen mit mehr als 250 Toten postulierte er erfolgreich, dass nur er, mit harter Hand, für Ordnung auf der vom Krieg gebeutelten Insel sorgen könne. Zehn Jahre nach dem Ende des fast 30-jährgen Bürgerkriegs hatte sich die Insel langsam erholt gehabt. 2015 wurde Mahinda Rajapaksa überraschend als Präsident abgewählt. Eine Reformregierung reduzierte die breite Macht des Präsidentenamts und stellte die Weichen auf Versöhnung. Sri Lanka etablierte sich als beliebtes Touristenziel. Doch die Osteranschläge 2019 und Corona 2020 machten dem einen Strich durch die Rechnung.

Wie tief der Bürgerkrieg im politischen System weiterwirkt, lässt sich an den Kandidaten ablesen. Mahinda Rajapaksa trieb als Präsident damals das Ende des Krieges an, wofür er von vielen gefeiert wurde. Andere werfen ihm und Gotabaya – der damals Verteidigungsminister war – schwere Kriegsverbrechen gegen tamilische Zivilisten vor. Bis heute gelten tausende Menschen als vermisst.

Anti-Muslim-Stimmung

Die Beliebtheit der Rajapaksas nährt sich einerseits aus denen, die sie für das Ende des Krieges feiern. Andererseits bauen sie stark auf die singhalesische Mehrheit im Land und befeuern gerne einen buddhistischen Nationalismus. Vor allem seit den Osteranschlägen wurde eine Anti-Tamilen-Stimmung zunehmend von einer Anti-Muslim-Stimmung abgelöst. Muslime werden aktuell beschuldigt, das Coronavirus zu verbreiten.

Ob die Rajapaksas die passenden Politiker sind, um die Herausforderungen zu bewältigen, bezweifeln Kritiker. Aussichtsreichster Herausforderer ist Sanjith Sirisena, der Sohn eines 1993 durch Tamilen ermordeten Präsidenten. Echte Chancen werden ihm aber nicht zugerechnet, die Oppositionspartei hat sich gespaltet. So ist die eigentlich lebendige Demokratie auf Sri Lanka in den Händen einiger weniger Familien. Fast 7.500 Kandidaten bewerben sich um die 225 Sitze im Parlament, echte Chancen rechnet man aber nur Mahinda Rajapaksa zu.

Zweidrittelmehrheit gesucht

Die entscheidende Frage ist daher nicht, ob die SLPP gewinnt, sondern ob sie sich eine Zweidrittelmehrheit sichern kann. Das würde wiederum bedeuten, dass sie ohne weitere Allianzen die Verfassung ändern kann. Genau damit liebäugelt Gotabaya seit geraumer Zeit: Er könnte den Verfassungsstatus von vor 2015 wiederherstellen, bei dem der Präsident breite Autorität besaß. Erst vergangene Woche beklagte er, dass er seine Agenden nicht umsetzen könne, eben weil er nicht ausreichend Macht dafür besäße.

Ein Rajapaksa-regiertes Sri Lanka ist nicht der einfachste Nachbar für Indien. Bereits in der ersten Rajapaksa-Ära musste der traditionelle Partner in der Region einiges an Einfluss zugunsten Chinas einbüßen. Hier will das Land nun aufschließen. Doch auch China verfolgt seine Politik vehement – und setzt dafür, so Medien, neuerdings ebenfalls auf die Buddhismuskarte: Chinas KP unterstützt vermehrt buddhistische Führer auf Sri Lanka. (Anna Sawerthal, 5.8.2020)