Begibt sich auf eine Segeltour auf den Atlantik: Therese George in "Drift".

Das jüngste Filmprojekt von Helena Wittmann, Human Flowers of Flesh, wurde vom Filmfestival Locarno als einer von zehn "Films After Tomorrow" ausgewählt. Die Corona-bedingte Sonderausgabe des Schweizer Festivals stellt heuer Projekte in den Mittelpunkt, deren Produktion durch den Virusausbruch erschwert wurde. In Wittmans Film klingt Claire Denis‘ Beau Travail nach: Sie folgt der Route einer Seglerin, die sich für die Fremdenlegion fasziniert und außerhalb ihres vertrauten Koordinatensystems begibt.

Filmgarten

Dass die 1982 geborene Deutsche von Locarno neben prominenten Regisseurinnen und Regisseuren wie Lucrezia Martel, Miguel Gomes oder Lisandro Alonso gebucht wurde, liegt an ihrem außergewöhnlichen Debüt, Drift, das nun auch in Österreich zu sehen ist. Drift entzieht sich gängigen Kategorien, versöhnt Experimental- mit Spielfilm.

Statt eines Plots folgt er einer unbestimmten Bewegung, die das Verhältnis von Figuren und Welt offen lässt – "driften" meint einen Daseinszustand, der der Erfahrung global mobiler Menschen (vor Corona) entspricht. Ganz konkret aber auch das Dazwischen selbst, den Übergang, ein zielloses Schaukeln.

Meeresoberflächen mit Ambient-Sound

Wesentliches Element des Films ist Wasser. Das Meer, die Wellen, ein in diversen Tönen changierendes Blau, das den Film irgendwann ab der Hälfte, mitgetragen von Nika Breithaupts exquisitem Ambient-Sound, übernimmt. Man hängt gleichsam mit über die Bootskante hinaus, der Blick auf die Wasseroberfläche gerichtet, der Horizont bietet keinen Rettungsanker mehr.

Die beiden Freundinnen, die sich zu Beginn an der Nordsee treffen – hier wird kurz eine mythische Vorzeit heraufbeschworen – gehen getrennte Wege. Wittman übersetzt auf faszinierende Weise die Passage. Am Ende ist eine jede woanders, und Michael Snows berühmter Expterimentalfilm Wavelength winkt als Zitat. (Dominik Kamalzadeh, 4. 8. 2020)