Günther Groissböck: "Ich bin ein Mensch, der zutiefst antiautoritär denkt."

Foto: Michael Pöhn

Er ist ein Kraftmensch, der auch gern einmal die Kletterwand am Haus des Meeres raufkraxelt. Diesen Sommer hätte er erstmals den Wotan im Bayreuther Ring des Nibelungen singen sollen, was für den vitalen Niederösterreicher wohl eine Art Karriere-Olymp dargestellt hätte. Doch auch als Kritiker hat sich Günther Groissböck in letzter Zeit einen Namen gemacht, und zwar als Kritiker der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie.

STANDARD: Hat Sie die Absage der Bayreuther Festspiele sehr getroffen?

Groissböck: Das war natürlich eine Enttäuschung, aber ich habe es kommen sehen. Wenn man die Altersstruktur des Publikums bedenkt, wenn man weiß, wie es dort mit der Lüftung steht, war es keine Überraschung. Katharina (Wagner, die Urenkelin Richards und Intendantin der Bayreuther Festspiele, Anm.) hat mir damals gesagt, sie will nicht, dass Bayreuth zum Ischgl der klassischen Musik wird. Aber Bayreuth kommt ja wieder, deswegen war es nicht so schlimm. Die schwere Erkrankung von Katharina Wagner im Frühling hat mich aber besonders betroffen gemacht.

STANDARD:Sie haben schon früh mit Kritik an den Corona-Maßnahmen von sich hören lassen. Warum?

Groissböck: Am Anfang wusste man sehr wenig über das Virus, deswegen war der Lockdown, wenngleich ich persönlich immer dagegen war, für die ersten Wochen vielleicht gerechtfertigt. Bald war aber klar, dass das Virus fast nur für ältere Menschen mit Vorerkrankungen wirklich gefährlich ist. Deshalb hätte man mehr auf den Schutz der Risikogruppen und auf Eigenverantwortung setzen müssen. Man kann nicht alles absichern.

STANDARD: Wurden von politischer Seite Fehler gemacht?

Groissböck: Es ärgert mich, dass man immer nur über die Infektionszahlen berichtet und diese weder ins Verhältnis zur Anzahl an Tests setzt noch eine Unterscheidung zwischen tatsächlich Erkrankten und nur auf Covid positiv getesteten Personen macht, um weiter Angst zu schüren. Aber von den Infizierten zeigen eben nur sehr wenige Krankheitssymptome, und von den Krankheitsfällen verlaufen nur sehr wenige schwer. Andererseits werden die psychischen Folgen dieser Politik der Angstmache gravierend sein.

STANDARD: Wie haben Sie persönlich auf die Corona-Krise reagiert?

Groissböck: Eine Kollegin hat mich, bezogen auf meinen Tatendrang und meine Überzeugungskraft, als "positiven Superspreader" bezeichnet. Auf jeden Fall bin ich ein Mensch, der zutiefst antiautoritär denkt, ich bin, wenn Sie so wollen, von Natur aus schwer erziehbar. Fragen Sie Wolfgang Sobotka, er war mein Lehrer im Gymnasium von Waidhofen!

STANDARD:Welche finanziellen Folgen hatten die weltweiten Absagen wegen Corona für Sie?

Groissböck: Wir freien Sänger hatten von heute auf morgen null Einkommen, obwohl wir rechtsgültige Verträge hatten. Viele haben uns das Gefühl gegeben: Ihr seid irrelevant für das System. Warum wollt ihr Geld? Georg Nigl und Wolfgang Ablinger-Sperrhacke haben sich bei der Wiener Staatsoper sehr um eine Regelung bemüht, die Bundestheater haben dann doch einen Teil der Gagen für abgesagte Vorstellungen gezahlt. In Deutschland ist die Situation komplizierter, aber es gibt ähnliche Lösungsvorschläge. Letztlich hat man fast überall den Versuch unternommen, etwas zu bezahlen, außer in den USA. Aber da ist das gesamte System anders organisiert.

STANDARD: Sie sind also nach den vielen Absagen selbst initiativ geworden. Wie genau?

Groissböck: Ich habe im Mai mit Heinz Ferlesch telefoniert und überlegt, was wir machen könnten, da sind wir schnell auf die Jahreszeiten gekommen. Haydns Musik hat Tiefgang, Witz und etwas, was man modern als Entertainmentqualitäten bezeichnen könnte. Daniel Serafin hat sich sehr dafür eingesetzt, dass wir unser erstes Konzert in Eisenstadt im Schloss Esterházy machen. Und Herzogenburg ist dann erfreulicherweise noch dazugekommen. (Stefan Ender, 5.8.2020)