"Geh so ein Schas, 500 oder 1.000 Euro hat es geheißen, das bekommen vielleicht die, die im Homeoffice sitzen, die Manager", grantelt der Postler – grauer Bürstenhaarschnitt, sehnige Gestalt –, eiligen Schrittes mit seinem vollbeladenen Kuli unterwegs. Fast gerät er in Rage bei der Frage, ob er sich über die Prämie freut, die die Post an ihre Beschäftigten als Dank für die Mühe in der Corona-Krise auszahlt: "Mir bleiben 187 Euro." Und das bei all der Plackerei, ereifert er sich. Er habe während des Lockdowns vor lauter Arbeit gar nicht gewusst, wo ihm der Kopf stehe.

Systemerhalter

Es ging ihm wie so vielen anderen auch. Gesundheits- oder Pflegekräfte, Busfahrer, Paketkuriere, Verkaufspersonal im Lebensmittelhandel, Reinigungskräfte, sie und viele andere waren gefordert wie nie zuvor. Rasch kam auch die Idee auf, dass es für die oft kärglich bezahlten Mitarbeiter in den entsprechenden Branchen monetäre Vergütung geben soll.

Die Beschäftigten in den systemerhaltenden Berufen erhielten zuletzt viel Zuspruch, manche von ihnen auch Prämien.
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Gewerkschaften forderten Prämien und Boni, der Gewerkschaftsbund (ÖGB) brachte den Corona-Tausender auf. Er solle aus dem milliardenschweren Hilfspaket der Regierung finanziert werden, so ÖGB-Chef Wolfgang Katzian. Da steckte auch die Politik nicht zurück: "Wir haben in der aktuellen Krise wieder gesehen, dass die Menschen, die unsere Gesellschaft am Laufen halten, nicht immer auch die sind, die den größten Bonus ausbezahlt bekommen. Egal ob Pflegepersonal, Sicherheitskräfte, Supermarktmitarbeiter oder viele andere – wer hart arbeitet, soll künftig mehr zum Leben haben", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Der grüne Vizekanzler Werner Kogler legte nach. Die Regierung tüftle an dem Corona-Tausender: "Die Frage ist: Wie macht man das, damit es gerecht ist?"

Boni und Prämien

Was ist seither geschehen – und vor allem, was wird noch geschehen? Besteht eine reelle Chance auf Besserung der vielfach prekären Arbeitsbedingungen? Gut sieht es nicht aus. Große Lebensmittelketten haben ihren Mitarbeitern Prämien oder Boni ausgezahlt oder gutgeschrieben – im Großen und Ganzen zwischen 150 und 200 Euro für Vollzeitbeschäftigte. In etwa so hoch fiel die Vergütung für Mitarbeiter der Post aus, die Eisenbahnen machten 250 locker. Im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich wurden 500 Euro vereinbart, selbiges gilt für Pflege- und Gesundheitskräfte im Landesdienst in einigen Bundesländern. In der Stadt Wien gibt es zum Beispiel immer noch keine Einigung auf Corona-Prämien für das Gesundheitspersonal. Über 1.000 Euro dürfen sich jene Stadtbediensteten in Linz freuen, die besonders viel arbeiteten.

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Die meisten der sogenannten Systemerhalter sind davon weit entfernt. Wirtschaftsforscher Thomas Leoni vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo hält den Spielraum für künftige Lohnverhandlungen, wo die Bedingungen für einzelne Branchen ausgehandelt werden, für beschränkt. Der Arbeitsmarkt sei angespannt. Die besten Chancen sieht Leoni im Pflegebereich und in der Sozialwirtschaft, denn der Druck dort könnte noch steigen. Düster sehe es im Tourismus aus, wo viele Betriebe ums Überleben kämpften. Auch im Handel stünden viele abseits des meist florierenden Lebensmittelhandels – und der Baumärkte auf der Kippe. Anstehende Lohnverhandlungen im Herbst würden schwierig.

Barbara Blaha vom sozialliberalen Momentum-Institut beschäftigt derzeit die Gegenwart und die versprochenen Boni. Sie seien vielfach an Bedingungen geknüpft, die viele nicht erreichen würden. Pädagoginnen etwa, die wegen der Kindergarten- und Schulschließungen erst im Mai wieder zu arbeiten begonnen hätten, sollen nur 320 Euro erhalten, wer im Juni seinen Dienst wieder antrat, bekomme noch weniger oder nichts. Die vollen Stunden seien aber etwa wegen Kurzarbeit oft nicht zu schaffen.

Corona-Tausender

Der Corona-Tausender steht immer noch im Raum. Von 1.000 Euro für jene, die das Land während der Krise am Laufen hielten, rückt der ÖGB, unterstützt von den Roten, nicht ab. Der Finanzminister verweist auf die vorgezogene Steuerreform im Herbst. Aus Koglers Pressebüro heißt es, mit der Steuersenkung (der Eingangssteuersatz sinkt auf 20 Prozent), der Negativsteuer von 100 Euro für Geringverdiener, dem Kinderbonus von 360 Euro und der Erhöhung des Arbeitslosengeldes für Juli bis September um je 150 Euro stünden im Herbst im Schnitt 1.000 Euro mehr zur Verfügung. Vor allem schwächere und mittlere Einkommen würden profitieren. Blaha sieht das nicht ganz so. Das treffe bei Familienbeihilfe, Negativsteuer und Arbeitslosengeld zu. Das sei allerdings einmalig. Von der Einkommenssteuersenkung würde hauptsächlich die obere Mittelschicht profitieren, dies aber dauerhaft. (Regina Bruckner, 5.8.2020)