Was auf den ersten Blick als Schachtel voller Schrott nicht beeindrucken mag, entpuppt sich schnell als Schatzkiste. In ihr türmen sich alte Elektrogeräte, die noch funktionieren oder als Ersatzteilspender dienen. Behutsam legt Peter einen Mixer, der seine Blüte in den 1960er-Jahren erlebt haben mag, auf andere Küchenmaschinen.

Peter arbeitet ehrenamtlich in der Reparaturwerksatt "Schraube 14".
Foto: Guido Gluschitsch

Eben erst hat er ihn aus einem Schrank voller Altgeräte genommen, geprüft, eingeschaltet und für gut befunden. Währenddessen hat Inge Giebl ihre reparierte Kaffeekanne und die Visitenkarten des Reparaturcafés Schraube 14 wieder in ihren Taschen verstaut.

Inge Giebl ist Stammkundin in der Reparaturwerkstatt und sieht sich selbst als Botschafterin dafür Sachen reparieren zu lassen, statt sie durch neue zu ersetzen.
Foto: Guido Gluschitsch

Letztere hat sie blitzschnell und mit einem Griff aus der Handtasche gezogen, als sie merkte, dass hier eine Geschichte für eine Tageszeitung entsteht. "Ich bin Stammkundin und komme fast regelmäßig aus Perchtoldsdorf hierher nach Penzing", sagt sie stolz und erzählt, dass sie die Karten des Reparaturcafés verteilt wie die Youngsters die Flyer. Sie will, dass es ihr weitere Menschen gleichtun. Reparieren statt wegschmeißen – das sei gut für die Umwelt. "Die neuen Geräte werden ohnedies immer schlechter", und es sei schon allein darum gut, die gewohnten weiterzunutzen. In ihrer Küchenmaschine etwa seien alle Zahnräder aus Plastik. Kein Wunder also, dass dieses Klumpert dauernd hin sei.

Plastik statt Metall

Mehr braucht Reparateur Peter nicht. Er blickt konzentriert und erklärt der Kundin: "Das ist schon gut so, dass die Zahnräder aus Plastik sind. Wären sie aus Metall, wäre die Maschine unglaublich laut." "Ist mir egal", kontert sie, "ich hör eh schon schlecht!"

Peter erklärt auch gerne, warum Maschinen so aufgebaut sind, wie sie es sind. Beim Reparieren, versucht er sich stets in die Arbeit des Entwicklers eines Geräts zu versetzen.
Foto: Guido Gluschitsch

Es entspinnt sich eine leidenschaftliche Diskussion zwischen der pensionierten Lehrerin und dem pensionierten Nachrichtentechniker, die erst endet, als Frau Giebl fragt, was sie schuldig sei. "Was Sie geben wollen", antwortet Peter.

Arbeit der Ehre wegen

Die drei Männer, allesamt Pensionisten, die in dieser wie aus einer anderen Zeit wirkenden Werkstatt arbeiten, tun dies ehrenamtlich. Nicht nur die Geräte, die sie reparieren, sind alt, auch das Inventar des Ladens wurde schon einmal von jemand anderem aussortiert. Lediglich der eine Schraubendreher oder manches Messgerät wirkt neu. "Es kommt schon vor, dass die Leute auch gar nichts geben", sagt Peter, "aber das ist selten. Dafür bringen andere schon einmal ein Stück Kuchen als Dankeschön mit."

Im R.U.S.Z. gibt es ganze Regale voller Altgeräte. Manche der Plattenspieler müssen dann zum Teil auch als Ersatzteilspender herhalten.
Foto: Guido Gluschitsch

Heute gibt es keinen. Nachdem Frau Giebl gegangen ist, kehrt einige Minuten Ruhe ein. Es ist der erste Tag, an dem das Reparaturcafé nach der Corona-Krise wieder geöffnet hat – wie von nun an jeden Donnerstagnachmittag. 25 Personen kamen vor der Krise im Schnitt zu jedem Termin. Künftig dürften es deutlich mehr sein, schätzt Sepp Eisenriegler. Die Nachfrage nach Reparaturen steigt seit dem Ende des Corona-Lockdowns.

Rund 85 Prozent der defekten Geräte, die ins Reparaturcafé gebracht werden, können repariert werden, in der Werkstatt des R.U.S.Z. liegt der Anteil noch deutlich höher.
Foto: Guido Gluschitsch

Er betreibt mit dem Reparatur- und Service-Zentrum RUSZ den "Pionierbetrieb der Kreislaufwirtschaft", wie er es nennt. Er gründete das Unternehmen 1998, um dem "Marktversagen entgegenzutreten", in dessen Folge die in den Hinterhöfen versteckten "Reparaturkünstler" von der Insolvenz bedroht waren. Seit 2007 macht er sich mit dem Reparaturcafé Schraube 14, das im Keller seines Betriebs eingerichtet ist, seine eigene Konkurrenz.

Sepp Eisenriegler kämpft für Geräte, die reparaturfreundlich sind, und lebt auch davon. Über die kleine Eudora, neben der er steht, kann er minutenlang reden.
Foto: Guido Gluschitsch

Doch das passt ganz gut zu dem Bild, das sich Sepp Eisenriegler von einer besseren Welt macht, und das er bis zu den Entscheidern auf EU-Ebene so beherzt vertritt, dass sein Rat auch im Vorfeld von Gesetzesfindungen gefragt ist und in Normen Eingang findet.

Es finden sich durchaus spannende Geräte, im R.U.S.Z., die auf eine Reparatur warten.
Foto: Guido Gluschitsch

Als Experte des Joint Research Center, eines wissenschaftlichen Think-tanks der EU Kommission, ist er am Aktionsplan zur ressourcenschonenden Circular Economy beteiligt, die zu "langlebigen, reparaturfreundlich designten Produkten" führen wird.

Reparaturnetzwerk

Damit spielt er nicht nur sich und seiner Reparaturwerkstatt in die Hände, sondern gleich einem ganzen Netzwerk, in dem sich Uhrmacher genauso finden wie Tapezierer oder Tischler. Inzwischen wird alles repariert, von der alten Vespa bei Vesparts Vienna über Fahrräder bis hin zu Kleidern, Schuhen, Parkett und Mobiltelefonen. Eine gute Übersicht der Betriebe in Wien findet man unter reparaturnetzwerk.at.

Die Palette der gebrauchten und gewarteten Produkte, die im Reparatur- und Service-Zentrum wiederverkauft werden, reicht vom High-End-Verstärker über das Röhrenradio bis hin zur Waschmaschine.
Foto: Guido Gluschitsch

Alt und lange gut

Die einzige Konkurrenz, die Sepp Eisenriegler fürchtet, ist jene, die einmal in die Waschmaschine schaut, die Trommel dreht und dann die Ersatzmaschine anpreist, die sie – zum Glück – zufällig mitgebracht hat. Sepp Eisenriegler bevorzugt den anderen Weg. Er repariert, reinigt und putzt alte Waschmaschinen – und verkauft sie. Im Schauraum vor der Budel der Reparaturannahme stehen neben aufbereiteten Hi-Fi-Geräten und Küchenmaschinen etliche verkaufsfertige Waschmaschinen, die wie neu aussehen und um etwa ein Drittel des Preises einer neuen angeboten werden. Hinten, in der Werkstatt, stehen noch dutzende weitere Geräte, an denen gearbeitet wird. Es sind dies alte Maschinen, welche die Vorbesitzer gespendet haben.

Kasettenrekorder sind den Jüngsten nicht einmal mehr ein Begriff. Hier werden sie noch liebevoll repariert.
Foto: Guido Gluschitsch

Mietmaschinen

Auch neue, hochwertige Waschmaschinen stehen im Verkaufsraum. Diese reparaturfreundlichen Geräte werden als "ewig funktionierende Waschmaschine" vermietet. Die Preise richten sich nach der Nutzung und beginnen bei 18 Euro im Monat. Das RUSZ wartet die Maschine jährlich, repariert Schäden vor Ort, oder wenn das nicht möglich ist, dann eben in der eigenen Werkstatt, während dem Kunden eine Ersatzmaschine gestellt wird.

So sehen alte Waschmaschinen aus, wenn sie aufbereitet bei Sepp Eisenriegler verkauft werden.
Foto: Guido Gluschitsch

Kalkuliert man das durch, lohnt sich eine Reparatur oder das Mieten einer Waschmaschine auf Lebenszeit nicht immer. Zumindest wirtschaftlich betrachtet. Legt man den Fokus aber auf den Ressourcenverbrauch, dann sind die Altgeräte wahre Schatzkisten für die Umwelt. (Guido Gluschitsch, 5.8.2020)