Trotz Schwächen in der Inszenierung gibt es darstellerische Extraklasse: Martha Hirschmann (links) als Gretl Aigner und Ricardo Frenzel Baudisch (rechts) als Blumenstijn.

Foto: Christian Husar

In einem Jahr, in dem an Franz Lehárs 150. Geburtstag erinnert wird und dessen Operette Die blaue Mazur zudem den Hunderter feiert, ist es natürlich eine gute Idee, Franz Lehárs Die blaue Mazur auch aufzuführen. Danke, Michael Lakner. Doch der künstlerische Leiter der Bühne Baden hatte zusammen mit der guten Idee auch eine unnötige: Er verpflanzte das Personal der Operette ins jüdisch-aristokratische Milieu.

Warum? Weil er "jüdische Ausdrücke wie Schmonzes, Mischpoche, Chuzpe" und den jüdischen Witz mag. Leider erwiesen sich viele der Witze als wenig durchschlagskräftig. Von den ersten Bruhaha-Krachern der (durch Corona arg dezimierten) Hochzeitsgesellschaft zündete bei der Premiere exakt keiner.

An Gesundheitsgefährdung grenzend

Zudem wies das Gesamtbild der von Lakner verantworteten Inszenierung (Bühnenbild: Christof Lerchenmüller, Kostüme: Friederike Friedrich) einen Grad an Geschmacklosigkeit auf, der an Gesundheitsgefährdung grenzte. Schon allein der Anblick, wie Graf Szpilmanski (urgewaltig: Clemens Kerschbaumer) und seine Angetraute Blanka von Lossin (mit wunderschön speckig-weichem Sopran: Sieglinde Feldhofer) gegen Ende die titelgebende Mazur tanzen und dabei in einem Meer von allerkünstlichstem Blau fast ersaufen, muss als traumatisches Ereignis bezeichnet werden.

Immerhin: Lakners Inszenierung hat Tempo und bietet darstellerische Extraklasse. Ricardo Frenzel Baudisch bewies (als Blumenstijn) sein gesanglich-komödiantisches Doppeltalent, Martha Hirschmann wandelte als hantige Hofballetteuse Gretl Aigner auf den Spuren der letztjährigen Badener Comedy-Granate Verena Scheitz.

Apropos ORF: Oliver Baier führte als Conférencier mit Verve und Gags, Gags, Gags durch die chor- und ballettbefreite Corona-Fassung des Werks und brillierte in diversen kleineren Partien. Und Franz Josef Breznik leitete das etwas ausgedünnt klingende Orchester der Bühne Baden mit entspannter Nonchalance. Premierenjubel in der zu einem Drittel besetzten Sommerarena. (Stefan Ender, 5.8.2020)