Für gewöhnlich treffen sich in Cannes jährlich die Massen an Fernsehhändlern. Heuer hagelt es Absagen. Statt Gesumse an den Messeständen gibt es in diesem Jahr "Rendezvous" bei der Mipcom in Frankreich.

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Beatrice Cox-Riesenfelder ist Geschäftsführerin der ORF Enterprise mit den Bereichen Finanzen, Administration, Musik- und Contentverwertung, ORF On und Multimediaservices.

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In normalen Zeiten stapeln sich zehn Wochen vor Beginn der Mipcom in Cannes die Anmeldungen, heuer hagelt es für den größten europäischen Event im TV-Rechtebusiness von 12. bis 14. Oktober Absagen. Neben großen US-Studios haben auch europäische Aussteller wie ITV Studios, Fremantle und BBC Studios angekündigt, der viertägigen Messe heuer zumindest physisch fernzubleiben. Normalerweise kommen mehr als 13.000 Geschäftsleute an die Croisette, um Rechte für Filme, Dokus, Shows und Serien zu kaufen und zu verkaufen.

Ansteckungsrisiko

Die Furcht vor der Ansteckung dämpft die Reiselust der Aussteller. Veranstalter Reed Midem hat darauf reagiert und richtet eine "Rendezvous" genannte Minivariante der Veranstaltung aus und parallel dazu eine Onlineausgabe. Statt Ausstellungsständen gibt es nur Tische oder oder Kojen. "Für die Verkäufer ist das nicht einfach", sagt Beatrice Cox-Riesenfelder, Geschäftsführerin der ORF Enterprise. Statt Speed-Dating am Messestand wird zunächst im Kleinen verhandelt: "Wir konzentrieren uns mehr auf direkte Kontakte zu unseren Kunden", sagt Cox-Riesenfelder. Das Problem: "Um neue Kunden zu akquirieren, braucht es den persönlichen Kontakt. Der ist nun nicht mehr möglich." Der ORF ist mit einer Delegation von acht Händlern vertreten. "Aus heutiger Sicht", räumt Cox-Riesenfelder ein.

Hoher Bedarf an Inhalten

"Wir glauben nicht, dass die großen Messen jemals wieder so stattfinden können", sagt die ORF-Managerin. Dabei sei das Geschäft so gut wie noch nie: Contentanbieter wachsen aus dem Boden und gieren nach Inhalten. Streamingplattformen lassen wie wild produzieren. Nicht zuletzt wegen Corona ist der Bedarf an Inhalten hoch, was die Verkaufsaktivitäten ankurbelt: "Contentvertrieb hat im Vergleich zum Vorjahr zugelegt, weil die Medienanbieter im Lockdown mehr Content benötigen." Cox-Riesenfelder spricht von Umsatzzuwächsen um die 20 Prozent für die Enterprise. Litauen, Schweiz und Frankreich sicherten sich etwa Soko Kitzbühel, Dänemark griff bei 27 österreichischen Tatort-Folgen und Winzerkönig zu. Ceska Televize zeigt Tolle Tiere im Kinderprogramm. Auch ohne das Virus nimmt die Lust auf TV und Streaming zu. Laut einer Studie der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle hat sich die Gesamtzahl der Fernsehsender in den letzten Jahren nahezu verdoppelt.

Stabile Preise

Das habe Auswirkungen auf den Rechtehandel, nicht aber auf die Preise, sagt Cox-Riesenfelder. Die seien stabil. Verhandelt wird heutzutage fragmentierter: Rechte für Kino, Pay-TV, Free TV, DVD, Video-on-Demand, Abo, Download, Kombinationen und etliches mehr. Während der Krise 2008 kam es zu einem dramatischen Preisverfall. Besonders die USA drückten, wo es nur ging. Daraus ergaben sich Preise, die um 50 bis 80 Prozent niedriger als im Vorjahr lagen. Für eine 60-minütige Dokumentation zahlte ein großer TV-Sender statt 60.000 Euro plötzlich nur noch 30.000 Euro.

Das Geschäft mit den Fernsehrechten ist ohnehin im Wandel. War früher Cannes der Topspot des weltweiten Lizenzhandels, haben mittlerweile USA und Asien ihre eigenen Veranstaltungen. Ein Trend, der mit den Abo-Plattformen zu tun hat. Diejenigen, die groß mitspielen, produzieren für den Eigenbedarf und haben nur wenig Kaufprogramme im Angebot. Disney+ schöpft aus seinem reichhaltigen Angebot, Apple TV+ hat seine Filme und Serien, Netflix gibt selbst in Auftrag, einzig der Onlinehändler Amazon hat üppigeres und mehr lokales Kaufprogramm im Angebot. Die Strategie geht aber auch beim ORF in Richtung Exklusivität. Schließlich will man den geplanten ORF-Player mit originalem Content befüllen, den es bei keinem anderen zu sehen gibt.

Partys fallen aus

Den größten Schaden haben Messeveranstalter Reed Midem und die Stadt zu erwarten. Die Standmieten sind seit Jahren berüchtigt horrend. Allein der ORF soll in der Vergangenheit 80.000 Euro für einen mittelgroßen Stand im Grand Palais gezahlt haben. Glanz und Glamour fallen dieses Jahr ebenso aus: Alle Partys, für die das Branchentreffen ebenso bekannt war, fallen heuer aus. Die Yachten bleiben leer. (Doris Priesching, 6.8.2020)

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