Im vierfach Oscar-prämierten Science-Fiction-Film "Inception" aus dem Jahr 2010 ersinnt Drehbuchautor und Regisseur Christopher Nolan eine Technologie, die es seinen Protagonisten ermöglicht, in die Träume von Menschen einzudringen und diese zu manipulieren. In diesen Traumwelten, die für die Schlafenden durchwegs real wirken, sind die Gesetze der Physik außer Kraft gesetzt, alles scheint möglich. Ganz so unrealistisch, wie ein solches Szenario wirken mag, ist das Ganze jedoch gar nicht – das hat nun eine Forschergruppe am Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit einer experimentellen Apparatur unter Beweis gestellt.

Das Team unter der Leitung des Neurowissenschafters Adam Haar Horowitz hat eine Methode entwickelt, die die Schlafbilder der Träumenden direkt manipulierbar macht, indem sie bei den Probanden gezielt Erinnerungen auslöst, die zu bestimmten Traumthemen und -erlebnissen führen. Die Experimente der Wissenschafter zeigen, dass Traumkontrolle weit mehr als nur Fantasie ist und dass die Informationsverarbeitung im Schlaf von außen beeinflusst werden kann.

Im Unterschied zu bisherigen Apparaten in der Schlafforschung ist "Dormio" klein und leicht zu handhaben.
Foto: Oscar Rosello/MIT

Manipulation über die sensorische Hintertür

Das elektronische Gerät namens "Dormio" greift dabei in jene frühe Schlafphase ein, in der der Schläfer einen Grenzbereich zwischen Traum und Wachzustand erlebt. Diese als Hypnagogie bezeichnete Grauzone zwischen Wachen und Bewusstlosigkeit nutzen die Forscher für ihre sogenannte "gezielte Trauminkubation" (TDI). "Der Geisteszustand gleicht ein bisschen einem Drogentripp", erklärt Haar Horowitz. "Es ist, als würde man allmählich in eine immersive Welt hinübergleiten, mit all den damit verbundenen Empfindungen, etwa des Schwebens oder Fallens. Das bewusste Steuern der Gedanken gerät dabei allmählich außer Kontrolle."

Die Hypnagogie ähnelt in vielen Aspekten den Traumempfindungen des REM-Schlafes, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Menschen können während dieses Übergangs vom Wachsein zum Schlafen immer noch Geräusche und Gesprochenes aus der realen Welt wahrnehmen und verarbeiten. Diese entscheidende sensorische Hintertür haben die Wissenschafter für ihre Trauminkubation genutzt.

Induzierte Baumträume

Dormio gleicht einer Art Sensor-Handschuh. Bei den Schlafexperimenten, an denen 49 Probanden teilgenommen haben, registrieren diese Sensoren laufend deren Bewusstseinszustände. In dem Moment, wo eine Person in den Schlaf hinüberdämmert, beginnt eine Software automatisch, bestimmte Sätze abzuspielen, beispielsweise: "Erinnern Sie sich daran, an einen Baum zu denken!" Ist die Versuchsperson schließlich tatsächlich eingeschlafen, weckt das System sie wieder kurz auf und fordert sie auf, zu erzählen, was ihr beim Schlafen durch den Kopf gegangen ist.

Die Testsituation: Die Einschlafphase der Probanden wurde von dem System überwacht und manipuliert.
Foto: Oscar Rosello/MIT

Nach der kurzen Unterbrechung schläft die Testperson wieder ein, um kurz darauf erneut geweckt zu werden und von ihren Träumen zu berichten. Der Zyklus aus Träumen, Erwachen und Erzählen – alles im Bereich der Hypnagogie – wiederholt sich mehrere Male. "Mit dieser gezielten Trauminkubation sollen Erinnerungsinhalte während des Schlafs in einer Weise reaktiviert werden, dass sie als Teil der Trauminhalte in Erscheinung treten", berichten die Forscher in ihrer im Fachjournal "Consciousness and Cognition" vorgestellten Studie.

Erfolgreiche Tests

"Ziel unserer Arbeit war zunächst, festzustellen, ob Dormio die beginnende Schlafphase tatsächlich identifizieren und den Trauminhalt während der Hypnagogie durch verbale Aufforderungen manipulieren kann", so Haar Horowitz. Obwohl der Dormio-Prototyp noch viel Potenzial für Verbesserungen zeigt, deuten die bisherigen experimentellen Ergebnisse deutlich darauf hin, dass das System Träume tatsächlich erfolgreich zu manipulieren vermag: Als Dormio die Probanden aufforderte, vor und während des Übergangs zum Schlafzustand an einen Baum zu denken, kamen in 67 Prozent der gesammelten Traumberichte Bäume in prominenter Weise vor.

Video: Wie Dormio funktioniert.
ACM SIGCHI

Im Gegensatz dazu enthielten Traumberichte einer Kontrollgruppe ohne Dormio-Einsatz praktisch keine Hinweise auf Bäume. Die Methode ist jedoch nicht nur dazu in der Lage, Träume zu manipulieren, sie hat auch andere, durchaus praktische Anwendungen. Ebenso wie die sogenannte Targeted Memory Reactivation (TMR), ein Verfahren, mit dem im Schlaf konkrete Erinnerungen reaktiviert werden, könnte TDI als Werkzeug zur Konsolidierung von Lerninhalten eingesetzt werden.

Lernhilfe und Kreativitätsbooster?

Aber nicht nur als schlafbasierte Gedächtnisverfestigung könnten das Dormio-System und die gezielte Trauminkubation dienen. Nach Ansicht der Wissenschafter wäre die Methode auch ein wirksames Hilfsmittel zur Unterstützung von Kreativität und Problemlösung. "Träume von einem bestimmten, vorgegebenen Motiv scheinen sich positiv auf den anschließenden Wachzustand auszuwirken", sagt Haar Horowitz. "Dies ist angesichts historischer Persönlichkeiten wie Mary Shelley oder Salvador Dalí, deren Kreativität von ihren Träumen inspiriert wurde, nicht überraschend. Der Unterschied besteht darin, dass wir diese kreativ nützlichen Träume gezielt auslösen können." (tberg, 8.8.2020)