Der Mord an Kuciak und Kušnírová erschütterte 2018 die Slowakei.

Foto: ČTK / Petr Švancara

Es war bereits alles angerichtet in Pezinok: Am Spezialstrafgericht in der slowakischen Kleinstadt, etwa 20 Kilometer nordöstlich von Bratislava, sollte am Mittwochfrüh das Urteil im Fall des Mordes am Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová fallen. Rund 100 Journalisten aus dem In- und Ausland waren akkreditiert, um über die Entscheidung in dem Prozess zu berichten, der die Öffentlichkeit bereits seit Jahresbeginn beschäftigt. Am Dienstag gegen 16.30 Uhr dann der Knalleffekt: Die Urteilsverkündung wird verschoben. Und zwar fast um einen ganzen Monat, auf den 3. September.

Über die Gründe für den Schritt herrschte vorerst Rätselraten. Immerhin handelt es sich bei dem Prozess um die Aufarbeitung einer Tat, die in der Slowakei einst ein politsches Erdbeben ausgelöst hatte und der Stimmung im Land bis heute ihren Stempel aufdrückt.

Kuciak und Kušnírová waren im Februar 2018 in ihrem Haus im westslowakischen Veľká Mača erschossen worden. Beide wurden nur 27 Jahre alt. Der Journalist Kuciak hatte für das Onlinemagazin aktuality.sk immer wieder über Korruptionsaffären und einen Filz aus politischer Macht und Geschäftemacherei berichtet – und sich dabei mächtige Feinde gemacht.

Bestens vernetzt

Einer von ihnen: der umstrittene Unternehmer Marian Kočner, der Kuciak telefonisch bedroht hatte und bald ins Visier der Ermittler geriet. Laut Staatsanwaltschaft wird der – zumindest früher – in Politik und Justiz bestens vernetzte Hauptangeklagte durch Zeugenaussagen sowie Chatverläufe auf seinem Handy schwer belastet. Mit ihm vor Gericht stehen die Dolmetscherin Alena Z., die beschuldigt wird, den Mordauftrag weitergegeben zu haben, sowie der ehemalige Polizist Tomáš S., der den Todesschützen zum Tatort gefahren haben soll.

Der geständige Schütze sowie ein weiterer Mittelsmann, der mit der Staatsanwaltschaft eine Kronzeugenregelung getroffen hatte, waren in gesonderten Verfahren zu 23 beziehungsweise 15 Jahren Haft verurteilt worden. Die drei verbliebenen Angeklagten plädierten jedoch bis zuletzt auf nicht schuldig.

Für sie gilt es schon als gute Nachricht, dass sich der dreiköpfige Richtersenat nun überhaupt veranlasst sah, quasi in letzter Minute die Notbremse zu ziehen. Und das, obwohl gar kein einstimmiges Urteil nötig gewesen wäre, man also durchaus eine Entscheidung 2:1 hätte fällen können.

Geduld gefragt

Beobachter warnen allerdings davor, hinter der plötzlichen Vertagung den langen Arm Kočners zu vermuten und die Unabhängigkeit des Gerichts in Zweifel zu ziehen. "Sie ist eher ein Indiz dafür, dass die Richter trotz enormen Interesses und Drucks der Öffentlichkeit frei entscheiden", kommentiert etwa die Onlinezeitung Dennik N. So könnten in einem derart komplexen Fall auch Zweifel in Bezug auf nur einen der drei Angeklagten ein abschließendes Urteil verzögert haben. (Gerald Schubert, 5.8.2020)