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Neues Ziel: Zuschauer auf der Couch. "Mulan" kommt nicht ins Kino, sondern als Stream.

AP

Es ist eine beschwerliche Reise, die Mulan in diesem Jahr zurückgelegt hat, jetzt mündet sie in einen überraschenden Hafen. Denn Disney wird Niki Caros Realverfilmung seines Animationshits von 1998 nach mehrmaligen Verschiebungen am 4. September auf seiner Onlineplattform Disney+ und nicht im Kino herausbringen. Dies gilt fix für den US-Markt, wo der Premiumcontent den Zuschauer zusätzliche 29,99 Dollar kosten wird (dann aber zeitlich unbegrenzt zur Verfügung steht). Ob diese Praxis auch in Ländern wie Österreich umgesetzt wird, in denen der Kinostart prinzipiell möglich wäre, wurde vom Konzern vorerst offengelassen.

Für die durch das Coronavirus massiv betroffene Kinoindustrie ist diese Entscheidung jedenfalls ein weiterer Schlag ins Gesicht. Bisher wurde noch keine Tentpole-Produktion in 200-Millionen-Dollar-Größe, also ein saisonal entscheidender Blockbuster, direkt online veröffentlicht.

Walt Disney Studios

Experimentiert wurde allerdings sehr wohl: Universal hatte den wesentlich kleineren Trolls World Tour bereits im April erfolgreich im Netz als Video on Demand (VoD) herausgebracht und damit einen Streit mit der US-Kinokette AMC Theaters ausgelöst. Erst Ende Juli ist er mit dem Kompromiss beigelegt worden, mit dem das bisherige Verwertungsfenster von Filmen von drei Monaten auf nurmehr 17 Tage eingeschränkt wurde – danach darf bereits die VoD-Verwertung erfolgen. Für die großen Kinoketten gilt das Exklusivrecht bei Blockbusterstarts als eines der entscheidenden Zugpferde.

Muss man die Disney-Entscheidung als Weichenstellung hin zu einer veränderten Distributionslandschaft interpretieren? Wenn es nach Disney-CEO Bob Chapek geht, eher nicht. Er bezeichnete die Mulan-Lösung nicht als Strategie, sondern als einmalige Aktion. "Wir sehen es als Möglichkeit, um diesen unglaublichen Film einem großen Publikum zuzuführen, das momentan nicht ins Kino gehen kann", sagte er – und fügte den entscheidenderen Halbsatz hinzu: "und um Wert und Attraktivität eines Disney+-Abos zu steigern." Um den Film zu sehen, ist der Abschluss eines solchen nämlich unumgänglich.

Disney schreibt enorme Verluste

Bei Erfolg könnte Chapeks Einmalformel aber durchaus rasch zur Regel werden. Disney würde die Gewinne einstreifen können, ohne sie mit infrastrukturellen Partnern teilen zu müssen. Der Konzern hat durch die Corona-Epidemie große Verluste zu beklagen, die Einnahmen fielen im letzten Quartal um vierzig Prozent (acht Milliarden Dollar) im Vergleich zum Vorjahr. Nicht nur der Filmbereich ist stark betroffen, Disneys Themenparks, ein weiterer wichtiger Geschäftszweig, haben erst vor kurzem und nur im reglementierten Maß wieder eröffnet.

Angesichts der Corona-Lage in den USA ist es momentan schwer abzusehen, wann Kinos wieder regulär öffnen werden. Tenet, Christopher Nolans Zeitreisethriller, hätte ursprünglich Anfang Juli den spektakulären Auftakt zur Wiedereröffnung geben sollen. Warner wird den Film nun am 26. August in Europa starten, in den USA läuft er Anfang September nur in ausgewählten Städten an – auch dies ein Bruch mit Konventionen. Etliche andere Blockbuster wurden ins kommende Jahr verschoben. An hybride Filmstarts, bei denen man andere Wegen an die Öffentlichkeit testet, wird man sich mit Sicherheit gewöhnen müssen. (Dominik Kamalzadeh, 6.8.2020)