Blick auf das alte und das neue Jerusalem.
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Von einem überraschenden Ergebnis und dem "Ende eines Mythos" berichtet das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEIAHL) nach Ausgrabungen in Jerusalem: Die Stadt sei in der Zeit des Alten Testaments deutlich kleiner gewesen als bisher angenommen.

Forscher seien lange davon ausgegangen, dass die eisenzeitliche Stadtmauer Jerusalems südlich des heutigen Zionstors am Hang des Zionsberg zum Himnontal verlief, sagte DEIAHL-Direktor Dieter Vieweger. Die Annahme beruhte auf einem Mauerfund, den der Benediktiner Bargil Pixner von der benachbarten Dormitio-Abtei in den 1980er-Jahren in die Eisenzeit (8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung) datierte.

Neue Einschätzung

Die Ergebnisse der jüngsten Grabungskampagne würden diese Annahme aber nicht stützen: Dabei wurde laut DEIAHL ein zwölf Quadratmeter großes Gebiet bis zum natürlichen Felsen in einer Tiefe von 5,50 Metern freigelegt. Dabei habe man keine eindeutigen eisenzeitlichen Mauerreste gefunden.

Gegen die Thesen Pixners spricht laut Vieweger zudem, dass nur verstreut Scherben aus der Eisenzeit gefunden wurden. Diese sprächen für eine Nutzung des Areals als Wohnbereich oder für Landwirtschaft in dieser Epoche. Für eine Datierung der Mauerfunde relevant seien jedoch die jüngsten Scherben aus klassischer Zeit, die mehr als 90 Prozent der Keramikfunde ausmachten und sich bis in die Fundamentschicht der Mauer nachweisen ließen.

Bargil Pixners Annahmen seien damit "aufgrund unserer Erweiterung des Ausgrabungsbereiches definitiv widerlegt", so das DEIAHL. Da eine Stadtmauer der Topographie folgend an Hängen gebaut wird, müsse die alttestamentliche Ausdehnung der Stadt kleiner sein als bisher angenommen, so die Schlussfolgerung von Vieweger und seinem Team.

Offene Fragen

Der genaue Verlauf der eisenzeitlichen Mauer sei damit weiterhin unbekannt. Vieweger hält es für möglich, dass die Stadtmauer der Eisenzeit von der sogenannten Davidsstadt nach Nordwesten in etwa dem heutigen Straßenverlauf entlang der Altstadt folgte und dann zum Jaffator verlief.

Noch ausstehend sind laut DEIAHL die Ergebnisse der Thermolumineszenz- und C14-Analysen der aus den Mauern entnommenen Proben. Die Forscher halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass Teile der unter der byzantinischen Mauer liegenden Steine zur eisenzeitlichen Mauer gehörten. (APA, red, 6. 8. 2020)