Eine Szenencollage aus dem Film "Schindlers Liste" samt einer Rede des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels ist eine der Dateien, die der Angeklagte verschickt hat – was ihn vor Gericht brachte.

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Wien – Herr T. ist 39 Jahre alt und "ein Freund der Satire", wie er von sich selbst sagt. Die Freundschaft hat ihn allerdings vor ein Geschworenengericht unter Vorsitz von Stefan Apostol gebracht, da er sich zwischen 2017 und 2019 im nationalsozialistischen Sinne wiederbetätigt haben soll. Indem er einschlägige Bilder und Filme via Whatsapp verschickte, eine Bier- und eine Weinflasche mit dem Konterfei Adolf Hitlers in seiner Wohnung hatte – und seinen WLAN-Netzwerken unzweideutige Namen gab.

Apostol beginnt mit diesem Punkt. Die für jeden in Reichweite einsehbaren Namen der Funkverbindung lauteten "Gestapo-88", "Schutzstaffel-88" und "Schutzstaffel-1". "Wie kann man auf die Idee kommen?", will der Vorsitzende wissen. "Vielleicht wollte ich provozieren. Ich liege mit einem Nachbarn im Clinch, der mich für einen Nazi hält." – "Und dann halten Sie es für eine gute Idee, die Netzwerke so zu benennen?" – "War eh ein Blödsinn", gibt der Unbescholtene aus Wien-Floridsdorf zu.

Subjektive Tatsache wird geleugnet

Der seit zwei Jahren Arbeitslose gibt zu, dass alle Anklagepunkte stimmen, bekennt sich aber dennoch nicht schuldig. Denn: "Ich habe das nicht aus Propaganda gemacht. Ich bin ein Freund der Satire", erklärt er sein Weltbild und leugnet die subjektive Tatseite. Womit er sich bei Apostol und Beisitzer Georg Olschak nicht unbedingt beliebt macht.

Nachdem Apostol den Angeklagten aufgefordert hat, seine Baseballmütze abzulegen, fällt ihm nämlich etwas auf: "Warum haben Sie ein Eisernes Kreuz auf dem Oberarm?", will der Vorsitzende wissen. "Das ist ein Kreuz vom Templerorden. Mit einem lateinischen Spruch." Aufsagen kann T. das Motto allerdings nicht korrekt, Beisitzer Olschak korrigiert ihn. "Warum haben Sie das Kreuz?", interessiert Apostol noch. "Ich bin ein Fan von 'Assassin's Creed'", erklärt ihm der Angeklagte. Doch auch Apostol scheint ein Anhänger dieser Reihe von Computerspielen zu sein: "Da sind die Templer aber die Bösen", merkt er an.

"Jux" und "schwarzer Humor"

Bei der Durchsicht der von T. verschickten digitalen Dateien hört man vom Angeklagten immer wieder "Das war ein Jux" oder "Das ist schwarzer Humor. Das findet man, wenn man 'schwarzer Humor' in das Google eingibt." Angeblich. Denn ein kurzer Test zeigt, dass zwar tatsächlich relativ rasch ein Hitler-Meme kommt, allerdings ist keines der angeklagten darunter. Beispielsweise ein Foto einer SS-Einheit samt dem Text: "Es gibt auch Schwarze, die wir mögen."

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass Apostol konsequent die Anklageschrift modifizieren lässt. Denn die Staatsanwältin, die das Schriftstück verfasst hat, muss sich entweder blind auf die Angaben der Ermittler des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung verlassen haben – oder sie hat wenig Ahnung von Zeitgeschichte. Denn zum Anklagepunkt mit der SS-Einheit steht "Wehrmachtssoldaten". Ein noch deutlicheres Beispiel: In der Anklage wird ein Video beschrieben mit: "Eine Person in Wehrmachtsuniform macht den Hitlergruß." Der Vorsitzende ändert das in: "Eine Person in SS-Uniform. Die Heinrich Himmler heißt."

"Schindlers Liste" und Goebbels-Rede

Allerdings passiert auch ihm selbst ein Fehler: Beim Zusammenschnitt aus einer Szene aus "Schindlers Liste" und einer Goebbels-Rede lässt er protokollieren, es handle sich um einen Schauspieler, der den Kommandanten des KZ Auschwitz spielt. Tatsächlich ist Ralph Fiennes zu sehen, der Amon Göth, den Kommandanten des KZ Płaszów, darstellt.

Wie sich bei der Durchsicht der Dateien herausstellt, hat T. doch nicht nur "Sachen aus dem Internet" verschickt. Denn auf zwei Bildern ist er selbst in seiner Wohnung mit Hitler-Maske und ausgestreckter, flacher rechter Hand zu sehen. "Ich bin der Mann mit der Maske", gibt der Angeklagte zu. Die habe er bei Amazon bestellt. "Das war aus Jux. Mein Vater hat sich vor 50 Jahren als Hitler verkleidet, der ist 1935 geboren", rechtfertigt T. sich.

"Depressiv und viel getrunken"

Warum er zweimal am 20. April Bilder mit einem Bezug zu Adolf Hitler versendet hat? "Weil ich dumm war. Ich war depressiv und habe viel getrunken. Es war eh nur eine kurze Zeit." – "Es war zwischen 2017 und 2019!", korrigiert Apostol ihn. Wenig später platzt es aus dem Angeklagten heraus: "Das ist schon wieder die Nazikeule, die mir aufgedrängt wird!", verteidigt er ein Bild. Denn: Er habe auch einen jüdischen Freund und diesem einschlägige Fotos geschickt. Beisitzer Olschak ist fassungslos: "Und der findet das lustig?" – "Na, i sekkier ihn nur damit. Das macht er mit mir auch." Was die Beisitzerin Olivia-Nina Frigo zur Frage führt: "Wie sekkiert er Sie denn?" – "Er nennt mich auch Nazi."

Die Geschworenen beraten recht ausführlich und differenziert, in 20 von 28 Anklagepunkten wird er schließlich nicht rechtskräftig schuldig gesprochen. Bei einer Strafandrohung von einem bis zu zehn Jahren Haft hält das Gericht 18 Monate, drei davon unbedingt, für schuld- und tatangemessen. Zusätzlich wird für die Zeit nach der Haft Bewährungshilfe angeordnet. (Michael Möseneder, 6.8.2020)