Auf der chinesischen App Tiktok drücken User längst ihren Unmut darüber aus, dass Donald Trump die Kurzvideoplattform in den USA in die Mangel nimmt.

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Wenn man "Krieg" als militärischen Konflikt definiert, dann sind die zwei Supermächte USA und China noch weit davon entfernt. Zudem sind die potenziellen Schlachtfelder begrenzt: Einzig die Insel Taiwan, die Peking als abtrünnige Provinz betrachtet, und die Halbinsel Korea kommen als Schauplätze infrage. Fasst man den Begriff "Krieg" allerdings weiter, befinden sich Peking und Washington längst in einem solchen.

"Es begann mit einem Handelskrieg, der sich zu einem Technologiekrieg ausgeweitet hat", sagte Jörg Wuttke, Präsident der europäischen Handelskammer in Peking, kürzlich. "Als Nächstes könnte ein Finanzkrieg drohen." Das Gezerre um die chinesische App Tiktok und die Teilung des Internets ist dabei die aktuelle Eskalationsstufe.

Zhang Yiming, der 38-jährige Gründer von Tiktok, steht jetzt vor einem Dilemma: Er kann darauf hoffen, dass Trump seinen Kampf gegen die Social-Media-Plattform einstellt oder seine Erfindung an den amerikanischen Konzern Microsoft verkaufen. Der hatte kürzlich 50 Milliarden US-Dollar dafür geboten. Bis zum 15. September hat Zhang nun Zeit, sich zu entscheiden. Für Microsoft wäre dies die größte Übernahme in der Geschichte des Konzerns. Microsoft würde damit in Konkurrenz zu Facebook treten, denn der Konzern hat mit Reels eine Tiktok-Kopie geschaffen.

Daten als Sicherheitsrisiko

US-Präsident Trump will die App verbieten, weil die Algorithmen dahinter Informationen über das Nutzerverhalten absaugen. Darin unterscheidet sich Tiktok zwar wenig von amerikanischen Apps wie Instagram oder Snapchat. Allerdings, so die Vorwürfe seitens von Washington, gerieten die Daten direkt in die Hände der Kommunistischen Partei Chinas. Dass die App gesellschaftskritische und politische Inhalte zensiert, ist schon länger bekannt. US-Außenminister Mike Pompeo ging am Mittwoch mit seiner "Clean Internet"-Initiative noch einen Schritt weiter: Demnach könnten bald zahlreiche chinesische Apps und Provider in den USA verboten werden.

Indien ist diesen Schritt bereits gegangen. Seit vergangener Woche gibt es in den indischen App-Stores keine chinesischen Programme mehr. Besonders hart trifft das Nutzer von Wechat. Die Plattform des Konzerns Tencent vereint in etwa die Funktionen von Whatsapp, Twitter, Facebook und Paypal in einem. In vielen asiatischen Ländern ist sie aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.

Gespaltenes Internet

In den USA beginnt die heiße Phase des Wahlkampfs. Der angeschlagene Präsident Trump kann eine Zuspitzung im Konflikt mit China gut gebrauchen, um vielleicht doch noch wiedergewählt zu werden. Trotzdem sollte man bei der Diskussion nicht vergessen: Nahezu sämtliche westlichen Social-Media-Apps sind in China gesperrt, und das seit Jahren. Wer auf dem chinesischen Festland Whatsapp, Instagram, Facebook oder Twitter nutzen möchte, braucht dafür ein Virtual Private Network (VPN). Die kleinen Zusatzprogramme leiten den Datenverkehr auf Server außerhalb Chinas um. Allerdings verlangsamen sie den Datenstrom und kosten eine monatliche Gebühr – vor allem aber sind sie illegal.

Hinzu kommen zahlreiche Websites, deren freier Informationsfluss der kommunistischen Partei ein Gräuel ist: Wikipedia, Google und Dutzende von Nachrichtenportalen. Ein gewaltiger Zensurapparat überwacht den Informationsfluss. Das Verbot hat nicht nur politische Gründe: Es half auch den chinesischen Internetkonzernen, vor amerikanischer Konkurrenz geschützt groß zu werden.

Vorstandsetagen mit Kadern besetzt

Kein Geheimnis ist auch, dass die Chefs der größten chinesischen Internetkonzerne Parteimitglieder sind: Huawei-Chef Ren Zhengfei ist ein ehemaliger Offizier der Volksbefreiungsarmee, Alibaba-Gründer Jack Ma gab seine Parteimitgliedschaft vor einigen Jahren bekannt. Tencent-Chef und reichster Mann Chinas, Ma Huateng, ist ein Delegierter des Nationalen Volkskongresses. Auch die Vorstandsetagen sind mit Kadern besetzt.

Wer Washington und insbesondere Trump nun vorwirft, er spalte das Internet, vergisst eines: Es gibt längst zwei Netze – ein globales, weitgehend freies Internet und ein chinesisches Netz, das, streng von der Partei kontrolliert, 1,3 Milliarden Menschen hinter der "Great Firewall" nutzen. (Philipp Mattheis aus Peking, 7.8.2020)